Finkenzeller

Schadensersatz bei Autoverkauf ohne Eigentumsvorbehalt

Verkehrsrecht Kaufrecht Zivilrecht
20.01.2022
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LG München I, Urteil vom 19.01.2022, Az. 20 O 11442/20

Leitsätze

1. Der mit dem Verkauf eines Pkw beauftragte Auftragnehmer hat bei Abschluss und Durchführung des Verkaufsgeschäfts die Interessen seines Auftraggebers zu wahren.*

2. Zu diesen Pflichten gehört es, die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Zug-um-Zug nur gegen vollständige und nicht nur teilweise Kaufpreiszahlung sicherzustellen.*

3. Diese Verpflichtung ist verletzt, wenn der Auftraggeber den Verkauf mit Übergabe des Fahrzeugs, sämtlicher Schlüssel und der Zulassungsbescheinigung Teil II vollzieht, obwohl nur ein Teil des Kaufpreises entrichtet ist.*

Unfallflucht

Tenor

I. Das Versäumnisurteil vom ...2020 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 9.500,- nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit ...2021 zu bezahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/4, der Beklagte trägt 3/4.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags.

Gründe

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Auftrag.

Die Klägerin war Eigentümerin des Pkw BMW ..., Fahrgestell Nummer ..., Baujahr 20... . Sie hatte das Fahrzeug im September 20... mit einem Wasserschaden zu einem Preis von 12.000 € erworben. In der Folgezeit wurden an dem Fahrzeug Instandsetzungsarbeiten vorgenommen.

2016 oder 2017 übergab die Klägerin das Fahrzeug an den Beklagten, ..., damit dieser sich um einen Verkauf kümmere. Zu einem späteren Zeitpunkt übergab die Klägerin auch Schlüssel und Papiere, um den Verkauf zu ermöglichen.

Der Beklagte veräußerte das Fahrzeug an die Firma 'I...' in Fürstenfeldbruck, Inhaber C., zum Kaufpreis von € 21.000,-. Vom Zeugen C. erhielt der Beklagte zunächst einen Betrag von € 11.500,-; der Beklagte übergab das Fahrzeug mit Schlüsseln und Papieren an den Zeugen. Den Betrag von € 11.500,- händigte der Beklagte dem Ehemann der Klägerin aus. 6000,- € davon erhielt die Klägerin, die sie am ...2016 bei der Raiffeisenbank einzahlte.

Die Klägerin behauptet, der Verkaufswert des Pkw habe sich auf € 21.000,- belaufen. Nach dem eigenen Erwerb habe die Klägerin das Fahrzeug zu nicht unerheblichen Kosten vollständig und fachgerecht Instand setzen lassen.

Das Fahrzeug sei bereits 2016 an den Zeugen C. verkauft worden. Der Beklagte habe vom Zeugen C. den vollständigen Kaufpreis von € 21.000,- erhalten, aber nur teilweise herausgegeben. Den Verkauf habe der Beklagte aber gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann nicht offengelegt, sondern die Klägerin wegen der Angelegenheit immer wieder vertröstet und Aufwendungen für das Fahrzeug behauptet.

Die Klägerin hat zunächst Klage auf Herausgabe des Fahrzeugs nebst Schlüsseln und Zulassungsbescheinigung Teil II erhoben. Im Termin vom ...2020 ist gegen den Beklagten Versäumnisurteil auf Herausgabe ergangen, gegen das der Beklagte Einspruch eingelegt hat. Mit Schriftsatz vom ...2021 hat die Klagepartei die Klage auf Zahlung von € 9.500,- umgestellt.

Die Klägerin stellt folgenden Antrag:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 9.500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Nebenforderung außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 1.142,14 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit ...2020 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Der behauptete Wert des streitgegenständlichen Fahrzeugs von mindestens € 21.000,- werde bestritten.

Der Beklagte behauptet, der Käufer C. habe lediglich den Betrag von € 11.500,- bezahlt und nicht den geschuldeten Rest von € 9.500,-.

Soweit ihm vom Zeugen C. ein anderes Fahrzeug, ein Mini, übergeben worden sei, habe dies nichts mit dem Verkauf des streitgegenständlichen BMW ... zu tun, sondern er habe den Mini ca. 2 Wochen vor dem Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom Zeugen C. für ca. 6000,- bis 6500,- € gekauft und bezahlt.

Weiter trägt der Beklagte vor, er habe das Fahrzeug für die Klägerin in langwieriger und mühsamer Arbeit hergerichtet. Die Klägerin schulde ihm das übliche Entgelt. Mit dem Anspruch werde vorsorglich die Aufrechnung erklärt.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 29.03.2021 durch schriftliche Einvernahme des Zeugen C. .

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Urkunden sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom ...2020 und ...2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig.

Das Versäumnisurteil vom ...2020 wurde der beklagten Partei am ...2020 zugestellt. Der am ...2021 eingegangene Einspruch ist daher rechtzeitig (§ 339 ZPO).

Die zulässige Klage ist in der Hauptsache begründet.

Die Klägerin besitzt einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von € 9.500,- gemäß §§ 662, 280 Abs.1 BGB. Der Beklagte schuldet Schadensersatz wegen Verletzung seiner Pflichten aus dem Auftragsverhältnis, weil er das Fahrzeug an den von ihm ausgesuchten Käufer C. übergeben und übereignet hat, ohne die vollständige Kaufpreiszahlung sicherzustellen.

Zwischen den Parteien war unstreitig, dass die Klägerin den Beklagten mit der Suche nach einem Erwerber und der Veräußerung des Fahrzeugs beauftragt hat und zu diesem Zweck dem Beklagten nicht nur das Fahrzeug, sondern auch alle Schlüssel und die Zulassungsbescheinigung Teil II übergeben hat. Es liegt somit ein Auftragsverhältnis i.S. von § 662 BGB vor.

"Zu [den Pflichten des Auftragnehmers] gehörte es, die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Zug-um-Zug nur gegen vollständige und nicht nur teilweise Kaufpreiszahlung sicherzustellen."

Im Rahmen des Auftragsverhältnisses war der Beklagte zur Besorgung des übertragenen Geschäfts verpflichtet, nämlich, einen Käufer zu suchen, einen Kaufvertrag abzuschließen und den Kaufpreis in Empfang zu nehmen sowie diesen an die Klägerin auszukehren. Es ist nicht vorgetragen, dass der Beklagte bei Vertragsschluss im Namen der Klägerin aufgetreten wäre, so dass von einem Kaufvertrag zwischen ihm und dem Zeugen C. auszugehen ist. Der Beklagte hatte bei Abschluss und Durchführung des Verkaufsgeschäfts die Interessen der Klägerin, seiner Auftraggeberin, zu wahren. Zu diesen Pflichten gehörte es, die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Zug-um-Zug nur gegen vollständige und nicht nur teilweise Kaufpreiszahlung sicherzustellen.

Der Kaufpreis, der vom Zeugen C. in seiner schriftlichen Stellungnahme mit € 21.000,- angegeben worden war, war zuletzt unstreitig.

"Mit der Übertragung des Eigentums, insbesondere der Aushändigung der Zulassungsbescheinigung Teil II, hätte der Beklagte warten müssen, bis der Kaufpreis bezahlt war."

Seine Verpflichtung hat der Beklagte verletzt, indem er den Verkauf vollzogen hat mit Übergabe des Fahrzeugs, sämtlicher Schlüssel und der Zulassungsbescheinigung Teil II, obwohl nur ein Teil des Kaufpreises entrichtet war. Mit der Übertragung des Eigentums, insbesondere der Aushändigung der Zulassungsbescheinigung Teil II, hätte der Beklagte warten müssen, bis der Kaufpreis bezahlt war. Dies gilt umso mehr, als es sich bei dem Käufer um einen selbständigen Gebrauchtwagenhändler handelte. Soweit der Beklagte angegeben hat, der Zeuge C. sei ein guter Bekannter gewesen, rechtfertigt dies nicht, so viel Vertrauen in die Person des Erwerbers zu setzen, dass übliche Sicherungsmaßnahmen außer Acht gelassen werden. Der Beklagte hätte so bei einem eigenen Geschäft, nicht jedoch bei einem im Interesse der Klägerin durchgeführten Geschäft vorgehen können.

Der Klägerin ist ein Schaden entstanden, weil sie das Eigentum an dem Fahrzeug verloren hat ohne vollständige Kompensation durch den Kaufpreis. Insoweit hat sich der Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig gemacht. Der Schaden besteht in der Differenz zwischen bezahltem und weitergeleiteten Kaufpreis (€ 11.500,-) und Wert des Fahrzeugs. Zwar war streitig, dass der Fahrzeugwert zum Zeitpunkt des Geschäfts € 21.000,- betrug. Gemäß § 287 ZPO schätzt das Gericht den Schaden auf € 9.500,-. Der vereinbarte Kaufpreis von € 21.000,- kann ohne weiteres als Schätzgrundlage dienen, weil davon auszugehen ist, dass das Fahrzeug nicht über dem Marktwert an den sachkundigen Gebrauchtwagenhändler verkauft wurde.

Der Anspruch ist nicht durch Aufrechnung erloschen. Soweit der Beklagte ausgeführt hat, ihm stehe das übliche Entgelt dafür zu, dass er das Fahrzeug der Klägerin hergerichtet habe, und mit diesem Anspruch werde aufgerechnet, liegen die Voraussetzungen für eine Aufrechnung schon deshalb nicht vor, weil der Beklagte seinen vermeintlichen Anspruch nicht beziffert hat (§ 387 BGB). Darüber hinaus fehlt es an jeglicher, auch nur ansatzweiser Spezifizierung der pauschal behaupteten Forderung.

Nachdem die Klage aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes auf der Grundlage des Beklagtenvorbringens begründet ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Zeuge C. den gesamten Kaufpreis von € 21.000,- an den Beklagten bezahlt hat. Die mündliche Einvernahme des Zeugen C. war daher nicht erforderlich.

Es besteht jedoch kein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 286 oder 249 BGB. Mit Schreiben vom 23.07.2020 haben die anwaltlichen Vertreter der Klägerin die Herausgabe des Fahrzeugs gefordert, obwohl dieses bereits veräußert war und die Klägerin einen Teil des Kaufpreises bereits erhalten hatte, wie sie im Laufe des Rechtsstreits eingeräumt hat. Ein Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs bestand bei Tätigwerden der anwaltlichen Vertreter daher nicht, sodass die dafür entstandenen vorgerichtlichen Kosten auch nicht vom Beklagten verlangt werden können.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 288,291 ZPO.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91,269 Abs. 3 ZPO: Etwa 1/4 der Gesamtkosten wurde dadurch verursacht, dass die Klägerin zunächst die Herausgabe des Fahrzeugs (im Wert von 21.000,- €) geltend gemacht hat, später aber die Klage auf Zahlung von 9.500 € reduziert hat, worin eine Klagerücknahme liegt. Die Kosten, die durch den zu hohen Streitwert verursacht wurden, hat die Klägerin gemäß § 269 Abs. 3 ZPO zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

Zusammenfassung:
Der Auftragnehmer, der einen Pkw verkaufen soll, handelt pflichtwidrig, wenn er vor vollständiger Kaufpreiszahlung den Fahrzeugbrief übergibt und keinen Eigentumsvorbehalt vereinbart.
Rechtsgebiete:
Verkehrsrecht Kaufrecht Zivilrecht
Stichworte:
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