Finkenzeller

Unerwartetes Windows-Update rechtfertigt Wiedereinsetzung

Prozessrecht
30.01.2022
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OLG Schleswig, Urteil vom 14.12.2021, Az. 11 U 19/21

Leitsätze

1. Ist der rechtzeitige Versand eines beA-Schriftsatzes nicht möglich, weil der hierfür eingerichtete Arbeitsplatz durch ein automatisches Windows-Update blockiert wird, liegt darin kein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten und der Partei ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

AG Weißenburg

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.01.2021 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die durch die Nebeninterventionen verursachten Kosten zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dasselbe gilt für das angefochtene Urteil. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 663.548,20 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt das beklagte Land wegen vermeintlicher Pflichtverletzungen von Beamten der Staatsanwaltschaft Kiel auf Schadensersatz in Anspruch.

Am 01.02.2013 durchsuchte die Staatsanwaltschaft die Wohn- und Kanzleiräume der damals als Rechtsanwältin tätigen Klägerin, und zwar wegen des Verdachts, dass sie Postsendungen unterschlagen habe (pp. StA Kiel). Von diesem Vorwurf wurde die Klägerin später freigesprochen, weil ihr kein Vorsatz nachzuweisen war.

Am 22.04.2013 wurden die Wohn- und Kanzleiräume abermals durchsucht, diesmal wegen des Verdachts, dass die Klägerin gegen das Tierschutzgesetz verstoßen habe (pp. StA Kiel). Diese Durchsuchung wurde von der als Staatsanwältin tätigen Streithelferin zu 1 geleitet, die die Streithelferin zu 2 als Amtsveterinärin hinzuzog. Im Zuge dieser zweiten Durchsuchung wurden drei Hunde der Klägerin beschlagnahmt und ins Tierheim gebracht, nämlich die Hündinnen B und B sowie der Rüde B. Etwa sechs Wochen später starb die Hündin B. An dem Rüden B wurde eine mindestens vorübergehende chemische Kastration durchgeführt. Später wurden dieser Rüde sowie die Hündin B an die Klägerin zurückgegeben. Noch später starben B und - nach Verkauf durch die Klägerin - auch B. Am 10.11.2014 wurde gegen die Klägerin eine Geldbuße wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz festgesetzt (Anlage K 21).

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tat-sächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Klägerin hat den Beamten der Staatsanwaltschaft Pflichtverletzungen bei den Durchsuchungen, bei der Beschlagnahme und bei der anschließenden Behandlung ihrer Hunde vorgeworfen und behauptet, sie sei durch diese Pflichtverletzungen letztlich finanziell und persönlich ruiniert worden. Mit ihrer Klage hat die Klägerin vom beklagten Land 580.471,40 € verlangt, die sich vor allem aus Verdienstausfall und Ersatz des Wertes ihrer Doggenzucht zusammensetzen, ferner ein Schmerzensgeld in vorgeschlagener Höhe von 5.000,00 € und eine Rente ab dem 65. Lebensjahr von monatlich 1.750,00 €. Außerdem hat die Klägerin die Feststellung der Pflicht des beklagten Landes beantragt, ihr sämtliche Schäden aus den beiden Ermittlungsverfahren zu ersetzen.

Das Landgericht hat die Akten dieser Ermittlungsverfahren beigezogen, die Klägerin persönlich angehört und mehrere Zeugen vernommen. Anschließend hat das Landgericht die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen, soweit die Klägerin mehr verlangt hat als 422,30 € Schadensersatz zuzüglich Zinsen wegen der Vorenthaltung von Tierzubehör, das mit beschlagnahmt worden war.

Das Landgericht hat diese Entscheidung in Abschnitt III 1 der Gründe auf folgende Erwägungen gestützt. Schäden in behaupteter Höhe von 190.332,20 €, die der Klägerin nach eigener Darstellung durch den Tod der Hündinnen B und B oder durch die Kastration des Rüden B entstanden seien, könne sie weder aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung (§§ 280 Abs. 1 S. 1, 688 BGB) ersetzt verlangen noch aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 34 GG).

Das beklagte Land habe nämlich bewiesen, dass der Tod der beiden Hündinnen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Umstände zurückzuführen sei, die ihrerseits nicht auf einem Verschulden seiner Amtsträger beruhten.

So sei B ausweislich des Berichts Dr. P trotz der Operation wegen ihrer Abmagerung gestorben. Zwar sei ein Teil des Gewichtsverlusts erst nach der Beschlagnahme eingetreten, die ihrerseits in die Rekonvaleszenzphase nach der Operation vom 14.09.2012 gefallen sei. Dieser weitere Gewichtsverlust sei aber nicht den Mitarbeitern des Tierheims vorzuwerfen, insbesondere nicht deshalb, weil sie die ihnen von der Klägerin übermittelten Fütterungshinweise der tierärztlichen Hochschule Hannover nicht befolgt hätten. B sei schon vor der Beschlagnahme unterernährt gewesen und von der Klägerin auch schlecht gehalten worden. Einen weiteren, möglicherweise auf der Beschlagnahme selbst beruhenden, stressbedingten Gewichtsverlust habe man hinnehmen müssen, um die Situation für das Tier langfristig zu verbessern. Eine Überwachung rund um die Uhr sei nicht zumutbar gewesen und hätte, so das Landgericht, den Tod auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verhindert. Hiergegen spreche schon, dass auch B wenige Wochen nach seiner Rückkehr zur Klägerin an einer Darmverschlingung gestorben sei.

B habe sich die Lungenentzündung, an der sie nach Angaben des Zeugen Prof. B letztlich gestorben sei, vermutlich mehr als zwei Wochen zuvor, also während des Aufenthalts in der von der Klägerin benannten Pflegestelle S zugezogen und unstreitig sei sie sofort zum Tierarzt gebracht worden, als die Tierpfleger die Krankheit erkannt hätten. Es gebe keinen Anhalt für die Annahme, dass ihr Tod auf Stress bei der Beschlagnahme oder unzureichender Ernährung in der Zeit danach beruhe.

B schließlich sei möglicherweise auch schon vor der Kastration zeugungsunfähig gewesen; ihre gegenteilige Behauptung habe die Klägerin nicht unter Beweis gestellt.

Auch den behaupteten Verdienstausfall von 385.047,03 € könne die Klägerin nicht ersetzt verlangen und ihr stehe auch kein Anspruch auf eine Rente von monatlich 1.750,00 € ab ihrem 65. Lebensjahr zu, und zwar weder aus Amtshaftung noch aus einer anderen deliktischen Grundlage. Denn sämtliche beanstandeten Amtshandlungen seien vertretbar gewesen. Dies gelte sowohl für die Durchsuchung bei der Klägerin als auch für die Erhebung einer Anklage wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. Es stehe auch nicht fest, dass Beamte der Staatsanwaltschaft sich diffamierend über die Klägerin geäußert und so ihre wirtschaftliche Existenz zerstört hätten. Dass ihr durch ein Unterlassen der gebotenen Selbstkorrektur ein Schaden entstanden sei, sei nicht zu erkennen.

Auch die Erstattung der Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 4.026,97 €, die ihr im Strafverfahren wegen des Verdachts der Unterschlagung von Postsendungen entstanden seien, könne die Klägerin weder aus Amtshaftung noch aus einer anderen deliktischen Grundlage verlangen. Es sei nämlich nicht erkennbar, dass ihr ein Schaden daraus entstanden sei, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung möglicherweise nicht ausreichend die Nutzung der durchsuchten Wohnräume auch als Kanzlei berücksichtigt worden sei. Aus dem Vortrag der Klägerin ergebe sich nicht, dass die Durchsuchung zum Auffinden der gesuchten Briefe nicht erforderlich gewesen sei. Da die Durchsuchung von der Klägerin durch das Annehmen der fremden Post selbst veranlasst gewesen sei und auch nur deren eigenen Mandate betroffen habe, sei nicht unverhältnismäßig in das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant eingegriffen worden.

Weil sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht ergebe, dass die Durchsuchung vom 01.02.2013 nicht zum Auffinden der gesuchten Briefe erforderlich gewesen sei, könne die Klägerin auch für die behaupteten Kosten von 642,00 € keinen Ersatz verlangen, die ihr durch diese Durchsuchung entstanden seien.

Der Klägerin stehe schließlich auch das verlangte Schmerzensgeld weder aus Amtshaftung zu noch auf einer anderen rechtlichen Grundlage. Die Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit bei der zweiten Durchsuchung sei nicht pflichtwidrig gewesen und die vermeintlich verletzte Pflicht, die von der Klägerin angezeigten Straftaten zu verfolgen, liege nur im öffentlichen Interesse.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, die sie wie folgt begründet.

Entgegen dem angefochtenen Urteil habe das beklagte Land ihr die Schäden von 190.332,20 € zu ersetzen, die ihr durch den Tod der Hündinnen B und B und durch die Kastration des Rüden B entstanden seien (hierzu Abschnitt I der Berufungsbegründung, Bl.778-786).

So habe das beklagte Land entgegen der Annahme des Landgerichts keineswegs bewiesen, dass der Tod von B (hierzu Unterabschnitt 1 a, Bl.778-783) und B (hierzu Unterabschnitt 1 b, Bl.783-785) nicht auf einem Verschulden seiner Amtsträger beruhe.

Die Feststellung im Bericht des Tierarztes Dr. P vom 05.06.2013, wonach B an extremer Unterernährung gestorben sei, habe sie - die Klägerin - entgegen dem angefochtenen Urteil durchaus angegriffen. Denn sie habe vorgetragen, dass B tatsächlich an einer erneuten Magendrehung in der Hundepension P verstorben sei, und diese Magendrehung wegen unzureichender Beaufsichtigung und Pflege zu spät erkannt worden sei. Herr Dr. P habe weder die Fachkompetenz noch das Gerät gehabt, um seine Diagnose 'Herzmuskelerkrankung' zu stellen. Vor allem aber liege der von ihm vermutete Zeitraum der Mangelernährung von 4 - 6 Wochen, in dem B bis zu 20 % ihres Körpergewichts verloren habe, insgesamt nach der Beschlagnahme. Dass B Herz nicht pathologisch verändert, sondern unauffällig gewesen sei, ergebe sich auch aus dem Obduktionsbericht Dr. pp. vom 07.06.2013 (Bl.830-841) sowie aus den Bekundungen des Zeugen Prof. Dr. B (Bl.447-450).

Ebenfalls entgegen den Urteilsgründen sei B nicht an Lungenentzündung gestorben, sondern in der Tierarztpraxis Dr. St in pp. eingeschläfert worden, wie sich aus den Obduktionsberichten des Landeslabors vom 07.09.2015 und der Zeugen Prof. Dr. B und Prof. Dr. B von der Tierärztlichen Hochschule vom 07.11.2014 (Bl.841-846) ergebe. Die vom Landgericht herangezogenen Bekundungen des Zeugen Prof. Dr. B sprächen nicht gegen ihre - der Klägerin - Darstellung, wonach es schon so frühzeitig deutliche Krankheitsanzeichen gegeben haben müsse, dass die Mitarbeiter des Tierheims an Bs Tod schuld sein müssten, in deren Obhut sich die Hündin ja immerhin während ihrer letzten beiden Wochen befunden habe.

Ebenfalls entgegen der Annahme des Landgerichts obliege nicht ihr, der Klägerin, der Beweis, dass der Rüde B vor der Kastration zeugungsfähig gewesen sei, wie immerhin 30 % aller Rüden, sondern obliege dem beklagten Land der Beweis des Gegenteils (hierzu Abschnitt II c der Berufungsbegründung, Bl.785f).

Auch die Ansprüche auf Ersatz ihres Verdienstausfalls von 385.047,03 € und auf Zahlung einer Rente von monatlich 1.750,00 € ab dem 65. Lebensjahr (hierzu Abschnitt II 1 der Berufungsbegründung, Bl.787-803) sowie die Ansprüche auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in vorgeschlagener Höhe von 5.000,00 € und weiteren Sachschadensersatzes in Höhe von 642,00 € (hierzu Abschnitt II 2-5 der Berufungsbegründung, Bl.803-827) stünden ihr zu. Diese Ansprüche stünden ihr selbst dann zu, wenn man die zweite Durchsuchung und die nachfolgende Anklageerhebung mit dem Landgericht für vertretbar nach § 19 TierSchG i.V.m. § 111b Abs. 1 StPO halte. Die erwähnten Ansprüche stünden ihr nämlich schon auf Grund der ersten Durchsuchung zu, die in jedem Fall unvertretbar und daher amtspflichtwidrig gewesen sei und zu den Ursachen sowohl der zweiten Durchsuchung rechne als auch der Anklageerhebung, der öffentliche Wahrnehmung ihrer - der Klägerin - Verfolgung, der Hauptverhandlung vom 26.09.2013 (Protokollauszüge: Bl.300-305, Anlage K 12) und der Festsetzung einer Geldbuße wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz in dem Urteil des Amtsgerichts vom 10.11.2014 (Anlage K 21).

Ohne diese Folgen wäre es aber - so die Klägerin - auch nicht zu dem Verdienstausfall, dem Erfordernis einer Rente, der schmerzensgeldbewehrten Persönlichkeitsrechtsverletzung und dem Sachschaden gekommen.

Dass schon die Durchsuchung vom 01.02.2013 willkürlich und damit unvertretbar gewesen sei, ergebe sich daraus, dass sie in Rechte ihrer Mandanten eingegriffen, aber nicht den strengen Anforderungen entsprochen habe, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 124,43 Rn.16-19) an die Verhältnismäßigkeit solcher Durchsuchungen stelle. Für diese Bewertung spreche, dass es seinerzeit nur um den Vorwurf der Postunterschlagung gegangen sei und das Amtsgericht zwar - genau wie die Staatsanwaltschaft - gewusst, in seinem Durchsuchungsbeschluss aber nicht erwähnt habe, dass sie - die Klägerin - in den zu durchsuchenden Räume auch ihre Anwaltskanzlei betrieben habe.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil, soweit es die Klage abgewiesen hat, zu ändern und das beklagte Land zu verurteilen, an sie weitere 580.049,10 € sowie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, 5.000,00 € jedoch nicht unterschreiten soll, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, ab ihrem 65. Lebensjahr eine monatliche Rente von 1.750,00 € zu zahlen sowie festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr sämtliche Schäden zu ersetzen, die aus den Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Kiel zu den Geschäftszeichen pp. und pp. resultieren.

Das beklagte Land sowie dessen Streithelferinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land und dessen Streithelferinnen verteidigen die angefochtene Klagabweisung.

Die beiden erwähnten Ermittlungsakten haben auch dem Senat vorgelegen. Ferner hat der Senat die Klägerin persönlich angehört.

II.

Nach § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO wird die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung kurz begründet.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Zwar ist die Berufungsbegründung nicht bis zum Ablauf der Frist am 15.04.2021, sondern erst am Folgetag um 00:25:47 Uhr eingegangen. Auf den zulässigen, insbesondere innerhalb der Monatsfrist nach § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO gestellten Antrag vom 29.04.2021 war der Klägerin aber nach § 233 S. 1 ZPO Wiedereinsetzung in diese Frist zu gewähren.

"Erst dort hat der Prozessbevollmächtigte feststellen können, dass der Rechner gerade mit einem automatischen Windows-Update beschäftigt war. ... Die Klägerin hat auch glaubhaft gemacht, dass wegen einer Besetztmeldung des gerichtlichen Faxgeräts die Berufungsbegründung vor Ablauf des 15.04.2021 nicht vollständig per Fax hat übermittelt werden können."

Die Klägerin hat nach § 236 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO ausreichend glaubhaft gemacht, dass sie an der Fristwahrung ohne eigenes oder ihr zuzurechnendes Verschulden verhindert war. Sie hat nämlich durch Vorlage der Originale der eidesstattlichen Versicherungen ihres Prozessbevollmächtigten und der beiden weiteren Mitglieder von dessen Bürogemeinschaft glaubhaft gemacht, dass der Prozessbevollmächtigte die Begründungsschrift am Tag des Fristablaufs um 23.48 Uhr versandfertig in eine Zwischenablage kopiert und sich sodann zwecks Versendung von seinem Büroarbeitsplatz zum Computerarbeitsplatz im Empfangsbereich seiner Kanzlei begeben hat, der als einziger Arbeitsplatz das für die Benutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs erforderliche Chipkartenlesegerät aufwies. Erst dort hat der Prozessbevollmächtigte feststellen können, dass der Rechner gerade mit einem automatischen Windows-Update beschäftigt war. Dieses Update war erst nach Mitternacht abgeschlossen, so dass auch die Berufungsbegründung erst nach Mitternacht hat versandt werden können. Die Klägerin hat auch glaubhaft gemacht, dass wegen einer Besetztmeldung des gerichtlichen Faxgeräts die Berufungsbegründung vor Ablauf des 15.04.2021 nicht vollständig per Fax hat übermittelt werden können.

Entgegen der Bewertung durch das beklagte Land und dessen Streithelferinnen ist es dem Prozessbevollmächtigten nicht als Verschulden vorzuwerfen, dass er nicht mit dem verhängnisvollen automatischen Update rechnete und es deshalb nicht rechtzeitig verhinderte.

II.

In der Sache hat die Berufung der Klägerin allerdings keinen Erfolg.

a) Auf den Tod der Hündinnen B und B oder auf die Kastration des Rüden B kann die Klägerin den Anspruch auf Zahlung von 190.332,20 € nicht stützen, und zwar weder nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB wegen des Verwahrungsverhältnisses noch nach § 839 Abs. 1 S. 1 BGB wegen einer Amtspflichtverletzung.

aa) Dass der Tod B am 04.06.2013 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Umstände zurückzuführen ist, die ihrerseits nicht auf einem Verschulden von Amtsträgern des beklagten Landes beruhen, hat das Landgericht durch Vernehmung der Zeugen Dr. J, Prof. Dr. B und Prof. Dr. B sowie durch Verwertung der beiden beigezogenen Ermittlungsakten festgestellt. Eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit reicht zum Ausschluss nicht nur eines Amtshaftungsanspruchs, sondern auch eines Anspruch aus dem Verwahrungsverhältnis aus (vgl. OLG Schleswig 5 U 73/97 Rn.8; Palandt/Grüneberg, BGB, 80.Aufl., § 280 Rn.40). Die Feststellung selbst hat der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch seiner eigenen Entscheidung zu Grunde zu legen, denn es fehlen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Richtigkeit. Solche Zweifel werden insbesondere in der Berufungsbegründung nicht aufgezeigt.

(1) Dies gilt zunächst für die Feststellung, dass der Tod B durch extreme Unterernährung verursacht wurde. Gegen die Richtigkeit dieser Feststellung spricht es entgegen der Berufungs-begründung nicht, dass der Tod auch durch eine erneute Magendrehung verursacht wurde, denn diese Magendrehung kann ihrerseits auf der Unterernährung beruhen. Ebenfalls entgegen der Berufungsbegründung hängt die Richtigkeit der beschriebenen Feststellung des Landgerichts auch nicht von der Richtigkeit der von der Klägerin angegriffenen Diagnose des Tierarztes Dr. P ab, wonach B an einer Herzmuskelerkrankung litt.

(2) Ebenso wenig sind konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der weiteren Feststellung des Landgerichts ersichtlich, wonach mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die festgestellte und letztlich todesursächliche weitere Abmagerung B in der Obhut des beklagten Landes um etwa 3 kg - oder gar um 20 %, wie die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung unter Hinweis auf die Feststellungen Dr. P. behauptet - nicht ihrerseits auf einem schuldhaften Verhalten des vom beklagten Land eingesetzten Pflegepersonals beruht.

Ausweislich des Gutachtens des Tierarztes Dr. B vom 01.05.2013 (Anlage zum Schriftsatz Bl.399ff, Anlagenband II) war das Tier schon vor der Beschlagnahme vom 22.04.2013 in einem schlechten Gesamtzustand, insbesondere schlecht ernährt gewesen. Der Einwand der Klägerin, dass ihr dies nicht vorzuwerfen sei, ist unerheblich; gleichwohl sei angemerkt, dass einiges gegen die Richtigkeit dieses Einwandes spricht. So war B sowohl nach dem genannten Gutachten als auch nach dem Bericht der Tierheimleiterin H vom 24.05.2013 zu wenig bewegt worden. Für eine Verantwortlichkeit der Klägerin spricht auch der Bericht Frau H über eine Äußerung der Klägerin, wonach diese dem Tier bewusst, nämlich um erneute Magendrehungen zu verhindern, kaum Wasser angeboten und es weggesperrt hatte.

Auf die Möglichkeit, dass sich eine einmal unterernährt gewesene Dogge auch nach richtiger Ernährung nicht wieder vollständig erholt, hat auch der von der Klägerin benannte Zeuge Dr. J hingewiesen. Dass die von ihr und von der Tierärztlichen Hochschule empfohlene Ernährung nicht die einzig vertretbare war, räumt die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung ausdrücklich ein, und erstinstanzlich hatte sie noch erklärt, sie werfe dem beklagten Land auch gar nicht vor, B Tod durch mangelhafte Ernährung verursacht zu haben.

(3) Schließlich teilt der Senat die Bewertung des Landgerichts, wonach das Pflegepersonal, das das Tier immerhin in zwei Fällen zur Behandlung in eine Tierarztpraxis brachte, zu einer Rundum-Beaufsichtigung auch dann nicht verpflichtet war, wenn dies die Überlebenschance erhöht hätte, wie die Klägerin behauptet. In der Tat spricht außerdem der Umstand, dass der Rüde B trotz Rückgabe in die Obhut einer von der Klägerin bestimmten Person starb, gegen die Annahme, dass B bei noch intensiverer Beaufsichtigung überlebt hätte, etwa dann, wenn die erneute Magendrehung früher entdeckt worden wäre.

bb) Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf den Tod der Hündin B stützen.

Durch Vernehmung der drei Zeugen sowie durch Verwertung der beiden beigezogenen Ermittlungsakten hat das Landgericht festgestellt, dass auch der Tod BZ mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Umstände zurückzuführen ist, die ihrerseits nicht auf einem Verschulden von Amtsträgern des beklagten Landes beruhen. Auch hier fehlen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung.

In der Tat ergibt sich aus den Bekundungen des sachverständigen Zeugen Prof. Dr. B dass B an einer Lungenentzündung starb, die sie sich mehr als zwei Wochen vor ihrem Tod zugezogen haben muss, also in der Obhut nicht des beklagten Landes, sondern der von der Klägerin selbst benannten Pflegestelle. Dass die Lungenentzündung schon sehr weit fortgeschritten war, betont die Klägerin selbst. Der insoweit sachverständige Zeuge Prof. Dr. B hat außerdem bekundet, dass das im Kadaver gefundene Pentobarbital nicht zur Euthanasierung verabreicht worden sein muss. Überdies behauptet die Klägerin selbst nicht, dass die behauptete Euthanasierung ihrerseits als nicht durch die Erkrankung veranlasst zu bewerten wäre. Ferner wurde B. unstreitig sofort zum Tierarzt gebracht, als die Tierpfleger die Krankheit tatsächlich erkannten. Die Klägerin trägt auch keine konkreten Anhaltspunkte für ihre Bewertung vor, wonach die Tierpfleger die Krankheit früher erkennen mussten und das Tier überlebt hätte, wenn sie dies getan hätten. Unerheblich ist der Einwand der Berufungsbegründung, wonach es vor dem Tod deutliche Krankheitszeichen gegeben haben muss.

cc) Schließlich teilt der Senat auch die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach die Klägerin auf die chemische, nach ihrer Darstellung endgültige Kastration von B deshalb keine Ansprüche stützen kann, weil sie nicht unter Beweis gestellt hat, dass ihr hierdurch ein Schaden entstand. Sie hat insbesondere nicht unter Beweis gestellt, dass das Tier vorher zeugungsfähig war, ihr also durch die Kastration Züchtungseinkünfte entgingen, und hat solche Einkünfte auch gar nicht beziffert. Entgegen der von der Klägerin in der Berufungsbegründung vertretenen Rechtsauffassung obliegt nicht dem beklagten Land der Beweis, dass das Tier auch schon vor der Kastration zeugungsunfähig gewesen sei. Eine solche Beweislastverteilung ergibt sich weder daraus, dass die Wahrheit dieser Behauptung dem beklagten Land günstig wäre, noch daraus, dass unstreitig immerhin 30 % aller Rüden zeugungsfähig sind.

b) Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB auf Ersatz des Verdienstausfalls von 385.047,03 €, auf Zahlung einer Rente von monatlich 1.750,00 € ab dem 65. Lebensjahr und eines Schmerzensgeldes in vorgeschlagener Höhe von 5.000,00 €, auf Sachschadensersatz in Höhe von 642,00 € und auf Ersatz von Anwaltskosten in Höhe von 4.026,97 € zu.

aa) Die Ansprüche auf Ersatz des Verdienstausfalls, auf die Rente und auf das Schmerzensgeld stützt die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung nur auf die erste Durchsuchung, die willkürlich und deshalb amtspflichtwidrig gewesen sei und zu den Ursachen der erwähnten Schadenspositionen zähle. Hierauf kann sie diese Positionen aber schon deshalb nicht stützen, weil sie dies nicht schon erstinstanzlich getan hat, die Berufungsbegründung also in diesem Punkt ein neues und deshalb nach § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht zuzulassendes Verteidigungsmittel enthält.

So hat die Klägerin in Abschnitt II 2 ihrer Klagschrift auf die erste Durchsuchung ausdrücklich nur den Anspruch auf Sachschadensersatz in Höhe von (467,00 € + 150,00 € + 25,00 € =) 642,00 € sowie auf Ersatz von Anwaltskosten in Höhe von (900,00 € + 1.087,50 € + 712,50 € + 1.326,97 € =) 4.026,97 € gestützt. Dass die Klägerin erstinstanzlich jedenfalls keine weiteren Ansprüche auf die erste Durchsuchung gestützt hat, ergibt sich auch aus Abschnitt IV ihres Schriftsatzes vom 09.06.2020, also ihrem letzten Sachvortrag vor dem Termin, der dem Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung entsprochen hat. Denn dort hat die Klägerin in ihrer zusammen-fassenden Darstellung der „einzelnen unvertretbaren Maßnahmen“ und des 'Eintritt(s) der einzelnen mit der Klage ... geltend gemachten Schadensersatzpositionen mit dem jeweils dazugehörigen Kausalitätsverlauf' die erste Durchsuchung nicht einmal erwähnt.

Folgerichtig finden sich auch in den Gründen des angefochtenen Urteils Ausführungen zu dieser Durchsuchung nur bei der Erörterung des Anspruchs auf Sachschadensersatz in Höhe von 642,00 € und auf Ersatz von Anwaltskosten in Höhe von 4.026,97 € (Abschnitt III 1 c und d der Entscheidungsgründe).

bb) Die Ansprüche auf Ersatz des Verdienstausfalls, auf die Rente und auf das Schmerzensgeld stehen der Klägerin aber auch aus anderen Gründen nicht zu, also selbst dann nicht, wenn man die erst mit der Berufung vorgetragene Begründung dieser Positionen berücksichtigen wollte. Aus diesen anderen Gründen stehen der Klägerin auch die Ansprüche auf den Sachschadensersatz und auf Ersatz der Anwaltskosten nicht zu.

Die erste Durchsuchung war nämlich bei voller Würdigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege verständlich, also nicht unvertretbar und stellte deshalb keine schuldhafte Amtspflichtverletzung i.S.d. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB dar (vgl. BGH III ZR 255/86, Rn.23). Unvertretbar war weder der dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Kiel vom 01.02.2013 (Bl.798f) zu Grunde liegende Antrag der Staatsanwaltschaft vom 31.01.2013 (Bl.797) noch die Vollziehung dieses Beschlusses.

(1) So hatte der Hamburger Rechtsanwalt pp. am 30.01.2013 mündlich (Bl.791f) und am 31.01.2013 auch schriftlich (Bl.793-796) von seinen Nachforschungen berichtet, wonach seit über einem Monat an ihn gerichtete Schreiben Hamburger Gerichte wegen eines Fehlers bei der Anschriftenerfassung an das Büro der Klägerin in P gelangt sein mussten und von dieser nicht an ihn weitergeleitet worden waren. Der Zusteller hatte der Polizei von einer Erklärung der Klägerin berichtet, wonach die Zustellung an sie ihre Richtigkeit hatte. Tatsächlich hatte die Klägerin die an Rechtsanwalt gerichteten Schreiben bekommen und mit ihrem Altpapier entsorgt.

Vor diesem Hintergrund kann nicht davon die Rede sein, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft vom 31.01.2013 auch bei voller Würdigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege nicht mehr verständlich gewesen sei. Dass die Klägerin knapp eineinhalb Jahre später mangels nachweisbaren Vorsatzes von dem der ersten Durchsuchung zu Grunde liegenden Vorwurf freigesprochen wurde, macht diese Durchsuchung nicht nachträglich unvertretbar.

(2) Entgegen der Berufungsbegründung kann die Klägerin den Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls, auf Zahlung einer Rente und eines Schmerzensgeldes sowie auf Ersatz ihres Sachschadens und ihrer Anwaltskosten auch nicht darauf stützen, dass die Staatsanwaltschaft bei der dem Durchsuchungsantrag zu Grunde liegenden Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt habe, dass sie in den Räumen auch ihre Anwaltskanzlei betrieben habe. Zutreffend hat das Landgericht in Abschnitt 1 c der Entscheidungsgründe darauf hingewiesen, dass eine Berücksichtigung dieses Umstandes zu keiner anderen Entscheidung geführt hätte, denn die Hausdurchsuchung war zur Erreichung des Ermittlungszwecks erforderlich. Gegen die Bewertung der Durchsuchung als unverhältnismäßig nach der in der Berufungsbegründung ins Feld geführten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts spricht in der Tat, dass die Klägerin die einzige Anwältin der Kanzlei war und den Anlass der Durchsuchung selbst gesetzt hatte. Ebenso zutreffend hat das Landgericht in Abschnitt 1 d der Entscheidungsgründe darauf hingewiesen, dass sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht ergibt, dass die geltend gemachten Sachschäden nicht ebenfalls notwendige Begleiterscheinung der notwendigen Durchsuchung waren. Dies trägt die Klägerin auch in ihrer Berufungsbegründung nicht vor. Ebenso wenig ist dargelegt oder sonst ersichtlich, dass die Art und Weise der Durchführung der Durchsuchung aus sonstigen Gründen den durch Gesetz und Durchsuchungsbeschluss gesteckten Rahmen überschritten habe.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Zusammenfassung:
Ist der rechtzeitige Versand eines beA-Schriftsatzes nicht möglich, weil der Arbeitsplatz durch ein automatisches Windows-Update blockiert wird, ist Wiedereinsetzung zu gewähren.
Rechtsgebiete:
Prozessrecht
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