Finkenzeller

Verjährung von Pflichtteilsansprüchen bei Zweifeln über Enterbung

Erbrecht
08.08.2023
n/a von

0 Bewertungen
Ihre Wertung:

OLG München, Beschluss vom 30.03.2023, Az. 33 U 7507/22 e

Leitsätze

1. Hat eine Verjährungsfrist zu laufen begonnen, wird ihr Lauf nicht dadurch gehemmt, dass der Pflichtteilsberechtigte die letztwillige Verfügung entgegen seiner ursprünglich zutreffenden Beurteilung später (unzutreffend) für unwirksam hält (Anschluss an BGH, Urteil vom 14.11.1973, IV ZR 13/72, nicht veröffentlicht).

2. Kommen dem Pflichtteilsberechtigten nachträglich Zweifel an seiner Enterbung und beantragt er selbst einen Erbschein, beeinflusst dies den Lauf der Verjährungsfrist hinsichtlich der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht.

3. Für das Pflichtteilsrecht kann ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum, etwa über die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung, der erforderlichen Kenntnis für den Beginn der Verjährungsfrist entgegenstehen.

Dissertation

Tenor

1. Die Klagepartei wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 24.11.2022, Az.: 12 O 1198/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Klagepartei erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

3. Innerhalb dieser Frist können sich die Parteien auch zum Streitwert äußern, den der Senat beabsichtigt, auf bis zu 6.000 € festzusetzen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über erbrechtliche Ansprüche.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Stufenklage Auskunft und Versicherung an Eides statt sowie anschließende Zahlung des Pflichtteils nach dem Tod ihres Vaters, dem am xx.xx.2018 verstorbenen Erblasser ….

Die Beklagte ist die Tochter der Klägerin und die Enkelin des Erblassers. Der Erblasser hat in einem Testament vom xx.04.2017 zunächst die Klägerin zur Alleinerbin bestimmt. Mit weiterem Testament vom xx.10.2017 hat der Erblasser die Beklagte zur Alleinerbin bestimmt.

Mit Schriftsatz ihres früheren Rechtsanwalts vom xx.06.2018 nahm die Klägerin die Beklagte auf Auskunft und anschließende Zahlung im Hinblick auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche in Anspruch.

In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

„Infolge der damit verbundenen Enterbung unserer Mandantin stehen dieser Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen Sie zu.“

Die Beklagte hat der Klägerin am xx.07.2018 und xx.08.2018 ein Verzeichnis über den Bestand des Nachlasses übermittelt. Am xx.06.2018 überwies die Beklagte der Klägerin nach vorangegangener Zahlung von 36.702,01 € einen weiteren Betrag von 17.217,62 € auf die geltend gemachten Ansprüche. Die Klägerin akzeptierte die Zahlungen ohne Vorbehalt.

Mit Schriftsatz vom xx.06.2019 beantragte die Klägerin beim Amtsgericht Dachau – Nachlassgericht – die Erteilung eines sie als Alleinerbin des Erblassers ausweisenden Erbscheins. Im folgenden Verfahren bestand zwischen den Parteien Streit über die Frage, ob der Erblasser bei Errichtung des Testaments vom xx.10.2017 testierfähig war. Nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens wurde der Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin auf der Grundlage des Testaments vom xx.04.2017 mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 02.03.2022 zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 23.03.2022 forderte die Klägerin von der Beklagten erneut Auskunft über den Bestand des Nachlasses unter Fristsetzung zum 06.04.2022.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es sah die Ansprüche, soweit sie nicht infolge Erfüllung erloschen waren, als verjährt an, so dass die Klage sogleich insgesamt abzuweisen gewesen sei.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihre erstinstanzlichen Ansprüche weiterverfolgt. Sie ist der Ansicht, wegen der zweifelhaften Testierfähigkeit des Erblassers habe Unsicherheit bestanden, ob die Klägerin Erbin geworden sei oder ihr nur Pflichtteilsansprüche zustünden. Demzufolge seien diese Ansprüche nicht verjährt.

II.

Der Senat beabsichtigt nach derzeitiger Rechtsauffassung, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen, da er einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung im Ergebnis offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Die angefochtene Entscheidung des Erstgerichts ist richtig. Das Ersturteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffes zugrunde zu legen hat, keine andere Entscheidung. Die Ausführungen der Klagepartei in der Berufungsbegründung vom 27.02.2023 vermögen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen, da sie das Ersturteil nicht erschüttern. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts Bezug und macht sich diese zu eigen.

Zu ergänzen ist folgendes:

1.

Die sorgfältig und ausführlich begründete Entscheidung des Landgerichts erweist sich als zutreffend. Das Landgericht hat alle entscheidungserheblichen Aspekte erkannt und seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt.

a)

Soweit die Berufung darauf abstellt, es habe angesichts der vermeintlichen Testierunfähigkeit des Erblassers Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments gegeben, so dass seitens der Klägerin keine sichere Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung vorgelegen habe, was nach der Rechtsprechung des BGH dazu führen könne, dass die Verjährung nicht zu laufen beginnt, verkennt sie, dass dies nicht gilt, wenn die Verjährung bereits zu laufen begonnen hatte.

b)

Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Für das Pflichtteilsrecht ist anerkannt, dass ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum, etwa über die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung, der erforderlichen Kenntnis für den Beginn der Verjährungsfrist entgegenstehen kann (BGH, Urteil vom 19.02.1968 – III ZR 196/65, BeckRS 1968, 31172225; Urteil vom 25.01.1995 – IV ZR 134/94, DNotZ 1996, 47; KG, Urteil vom 31.05. 2006 – 25 U 50/05, NJOZ 2007, 1356; Senat, Urteil vom 22.11.2021 – 33 U 2768/21, ZEV 2022, 533).

Allerdings hört eine einmal zu laufen begonnene Verjährungsfrist nicht zu laufen auf, wenn der Pflichtteilsberechtigte die letztwillige Verfügung entgegen seiner ursprünglich zutreffenden Beurteilung später (unzutreffend) für unwirksam hält (BGH, Urteil vom 14.11.1973 IV ZR 13/72, nicht veröffentlicht).

2.

Diese Grundsätze hat das Landgericht zutreffend erkannt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt und die Klage daraufhin zu Recht abgewiesen.

a)

Die Klägerin hat nach den von der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Erstgerichts mit Schriftsatz vom xx.06.2018 gegenüber der Beklagten Pflichtteilsansprüche geltend gemacht („Infolge der damit verbundenen Enterbung unserer Mandantin stehen dieser Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen Sie zu.“) und damit zu erkennen geben, dass sie sich in Kenntnis der sie beeinträchtigenden Verfügung als pflichtteilsberechtigt ansieht. Damit begann die 3jährige Verjährungsfrist zu laufen, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, denn die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt positive Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von ihrer Enterbung und der daraus resultierenden Pflichtteilsberechtigung (§ 2303 Abs. 1 BGB).

Verjährungsbeginn war mithin der 31.12.2018, die Verjährung endete zum 31.12.2021.

b)

Diese im Jahre 2018 einmal zu laufen begonnene Verjährungsfrist konnte nachträglich, als der Klägerin Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments des Erblassers wegen einer vermeintlichen Testierunfähigkeit kamen, nicht mehr zu laufen aufhören. Deswegen kann dahinstehen, ob die Klägerin berechtigte Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers haben durfte oder nicht. Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 26.01.2018, I-7 U 75/17). Auch diese Entscheidung beschäftigt sich lediglich mit der Frage, ob die ursprüngliche Kenntnis (im entschiedenen Fall vom Anfall eines Vermächtnisses) fehlen kann, wenn Zweifel über die Wirksamkeit des Testaments bestehen. Dass eine einmal begonnene Verjährungsfrist bei nachträglichen Zweifeln an dessen Wirksamkeit zu laufen aufhört, lässt sich auch dieser Entscheidung nicht entnehmen.

c)

Nachdem sonstige Hemmungsgründe nach Ablauf des Jahres 2018 weder vorgetragen noch ersichtlich sind, erweist sich die Klageabweisung durch das Landgericht als zutreffend. Etwaige Forderungen der Klägerin sind, soweit sie nicht durch Erfüllung erloschen sind (§ 362 Abs. 1 BGB), jedenfalls verjährt.

III.

1.

Aufgrund obiger Ausführungen regt der Senat aus Kostengründen – eine Rücknahme der Berufung würde zu einer Kostenersparnis in Höhe von zwei Gerichtsgebühren führen, Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses – an, die Berufung zurückzunehmen.

2.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren orientiert sich an der Streitwertfestsetzung durch das Erstgericht.

3.

Zu diesen Hinweisen können die Parteien binnen der oben gesetzten Frist Stellung nehmen.

[Rechtskräftig]

Zusammenfassung:
Eine bereits laufende Verjährungsfrist wird nicht dadurch gehemmt, dass der Pflichtteilsberechtigte seine Enterbung später für unwirksam hält.
Rechtsgebiete:
Erbrecht
Stichworte:
Gericht:
Rechtsanwälte Ingolstadt
Rechtsanwalt Ingolstadt
Rechtsanwalt Mietrecht Ingolstadt
Rechtsanwalt Verkehrsrecht Ingolstadt
Rechtsanwalt Erbrecht Ingolstadt