Finkenzeller

Vorfahrt beginnt mit dem Einmündungstrichter

Verkehrsrecht
24.11.2021
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LG Ingolstadt, Urteil vom 08.10.2021, Az. 74 O 1518/19

Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.406,36 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.05.2019 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 473,38 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.05.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 5.506,36 € festgesetzt.

Gründe

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall vom 20.03.2019 in Ingolstadt.

Die Zeugin S. fuhr mit dem PKW Audi Q5, amtl. Kennzeichen ... auf der A. Straße in westlicher Richtung in Richtung D.straße. Der Beklagte zu 1) fuhr mit dem PKW Audi A3, amtliches Kennzeichen ..., das im Unfallfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, auf der D.straße in nördlicher Richtung. An der Kreuzung zur D.straße, an der die Vorfahrtsregel rechts vor links gilt, bog die Zeugin S. nach links ab, wobei es zur Kollision der beiden Fahrzeuge kam. Der Unfallhergang im Einzelnen ist zwischen den Parteien streitig.

Aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls entstand am PKW Audi Q5 ein Sachschaden in Höhe von 6.437,90 €. Darüber hinaus erlitt der PKW einen Minderwert in Höhe von 400 €. Für ein Schadensgutachten fielen 801,64 € an. Das Fahrzeug wurde repariert. Es entstanden ein Nutzungsausfallschaden in Höhe von 395 € sowie pauschale Unkosten in Höhe von 25 €.

Die Zeugin S. hat mit Abtretungsvereinbarung vom 29.08.2019 Ansprüche aus der Beschädigung des streitgegenständlichen PKW Audi Q5 an den Kläger abgetreten.

Die Beklagte zu 2) wurde außergerichtlich zur Schadensregulierung wegen der vorgenannten Schadenspositionen und wegen vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren aufgefordert, zuletzt mit anwaltlichem Schreiben vom 25.04.2019 unter Fristsetzung bis zum 06.05.2019.

Die Beklagte zu 2) hat vorgerichtlich Schadensersatz an den Kläger geleistet in Höhe von 2.653,18 € zzgl. vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 334,75 €.

Der Kläger behauptet, Eigentümer des PKW Audi Q5, amtl. Kennzeichen ... zu sein. Ferner behauptet er, dass der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug die Vorfahrt der Zeugin S. missachtet habe.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger zu bezahlen 5.506,36 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.05.2019.

2. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger 473,38 € außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.05.2019 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Zeugin S. habe beim Abbiegen die Kurve geschnitten und sei mit dem Klägerfahrzeug gegen das bereits stehende Fahrzeug des Beklagten zu 1) geprallt. Sie sind der Auffassung, für ein Eigentum der Zeugin S. an dem streitgegenständlichen Fahrzeug spreche die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen PM W. und der Zeugin S. und durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst ergänzender schriftlicher Stellungnahme gem. Beweisbeschluss vom 25.10.2019, berichtigt durch Beschluss vom 23.01.2020, und Beweisbeschluss vom 05.10.2020 sowie einer mündlichen ergänzenden Stellungnahme. Zudem hat es sowohl den Kläger als auch den Beklagten zu 1) formlos angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der formlosen Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.09.2021 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2019 sowie das schriftliche Gutachten vom 18.08.2020 und die ergänzende schriftliche Stellungnahme vom 28.10.2020 verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Beklagten sind dem Kläger aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls samtverbindlich zur Zahlung eines weiteren Schadensersatzes in der tenorierten Höhe verpflichtet gem. §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, § 115 Abs. 1 Nr.1 VVG, § 249 ff. BGB.

1.

Der Kläger ist aktivlegitimiert. Es kann die Schadensersatzansprüche entweder als Eigentümer des Fahrzeugs aus eigenem Recht, oder aus abgetretenem Recht geltend machen. Als Eigentümer kommen nach den Vortrag der Parteien nur der Kläger oder die Zeugin S. (gem. § 1006 BGB) in Betracht. Die Zeugin S. hat etwaige Schadensersatzansprüche wirksam an den Kläger abgetreten.

2.

Die Beklagten haften als Gesamtschuldner für die aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall entstanden Schäden zu 100 %.

a)

Vorliegend ist es keiner Partei gelungen, zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass der Unfall für sie ein unabwendbares Ereignis darstellte, § 17 Abs. 3 StVG.

Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen hätte die Zeugin S. den Unfall jedenfalls dann vermeiden können, wenn sie in weitem Bogen, wie auf Seite 19 des Gutachtens dargestellt, um das Fahrzeug des Beklagten zu 1) herumgefahren wäre. Umgekehrt steht nicht sicher fest, dass der Beklagten zu 1) sein Fahrzeug rechtzeitig, d.h. mehrere Sekunden vor der Kollision zum Stehen gebracht hat.

Die Beteiligten und die Zeugin S. haben unterschiedliche Angaben dazu gemacht, ob das Fahrzeug des Beklagten zu 1) im Zeitpunkt der Kollision noch in Bewegung war oder nicht. Der Beklagten zu 1) hat sogar angegeben, noch gehupt zu haben. Keinem der Beteiligten oder der Zeugin kommt von vorneherein eine höhere Glaubwürdigkeit zu. Unbeteiligte Zeugen sind nicht vorhanden. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ergibt sich aus den Schäden an beiden Fahrzeugen, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der Kollision mit einer geringen Geschwindigkeit noch nach vorne gerollt ist.

b)

Damit ist nach den §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 3 StVG, 254 BGB eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr geboten. Bei dieser Abwägung sind neben unstreitigen und zugestandenen Tatsachen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen, wobei auch die Regeln des Anscheinsbeweises anzuwenden sind.(...) Bei einem Zusammenstoß zwischen zwei Kraftfahrzeugen auf einer vorfahrtgeregelten Kreuzung oder Einmündung spricht der Anscheinsbeweis für eine schuldhafte Vorfahrtverletzung des Wartepflichtigen. Die Betriebsgefahr des Berechtigten tritt in der Regel demgegenüber im Rahmen der Abwägung gemäß § 17 Abs. 1 StVG zurück.

(KG Berlin, Urteil vom 21. Juni 2001 – 12 U 1147/00 –, Rn. 5 und 12 m.w.N, juris)

(1)

Dem Beklagten zu 1) ist ein schuldhafter Verstoß gegen § 8 StVO zur Last zu legen. Den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis haben die Beklagten nicht erschüttert. Unstreitig war die Zeugin S. an der streitgegenständlichen Kreuzung vorfahrtsberechtigt und der Beklagte zu 1) wartepflichtig. Der Unfall hat sich auch nach dem Vortrag der Beklagten im Kreuzungsbereich ereignet. Die Beklagten haben insoweit den vom Sachverständigen rekonstruierten Kollisionsort unstreitig gestellt.

Der Vorfahrtsbereich besteht aus dem Einmündungsviereck und aus der Fahrbahnhälfte der untergeordneten Straße, in die der Vorfahrtsberechtigte bei seinem Abbiegevorgang einfährt. In diesem Bereich darf der Vorfahrtberechtigte grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein Vorfahrtsrecht von dem Wartepflichtigen beachtet wird. Das Einmündungsviereck umfasst die gesamte Kreuzungsfläche in ganzer Fahrbahnbreite. Lediglich bei rechtwinkligen Kreuzungen oder Einmündungen wird das Einmündungsviereck durch die Fluchtlinien der beiden Fahrbahnen begrenzt.

Bei spitzwinkligen Einmündungen führt die (...) Begrenzung des Einmündungsvierecks durch die Fluchtlinien der Straßen zu einer Verzerrung der wechselseitigen Pflichten der Verkehrsteilnehmer im Kreuzungsbereich. Vorliegend würde das Einmündungsviereck so zu einem spitzwinkligen Parallelogramm verzerrt, dass der Beklagte als Linksabbieger gezwungen wäre, „nichtgeschützte“ Fahrbahnteile zu befahren, um seinen Abbiegevorgang durchführen zu können. Dies kann nicht zutreffend sein. (...)

Bei spitzwinkligen Einmündungen besteht das Einmündungsviereck deshalb zumindest aus dem Quadrat, welches sich aus den Fluchtlinien der Fahrbahnbegrenzung ergeben würde, wenn die Einmündung rechtwinklig wäre.

(KG Berlin, Beschluss vom 07. Februar 2011 – 12 U 59/10 –, Rn. 4 - 6, juris)

Die Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin, dem sich das Gericht anschließt, auf den vorliegenden Fall angewandt, ergibt den auf Seite 2 der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen bzw. Anlage 1 eingezeichneten Bereich.

Zusätzlich ist vorliegend jedoch zu berücksichtigen, dass sich die A.straße an der Einmündung zur D.straße trichterförmig erweitert.

Bei einer trichterförmig erweiterten, vorfahrtberechtigten Einmündung, wie sie im vorliegenden Fall gegeben ist, hat der Linksabbiegende berechtigte Vorfahrt auf der gesamten, bis zu den Endpunkten des Trichters erweiterten Fahrbahn der Vorrechtsstraße (BGH NJW 1965, 1772; OLG Hamm NZV 1998, 26).

(OLG Koblenz, Urteil vom 16. März 2015 – 12 U 649/14 –, Rn. 4, juris)

Die Fahrbahnbreite der trichterförmig einmündenden Straße wird durch den Verlauf der Fahrbahnränder des Trichters, also an ihrer Mündung von den Endpunkten des Trichters, der einen Teil dieser Straße bildet (BGHSt 16, 255, 257), bestimmt. Die Vorfahrt erstreckt sich allgemein auf die gesamte Fahrbahn der bevorrechtigten Straße (so schon RGZ 167, 357, 360; BGHZ 9, 6 = VRS 5, 172; BGH VRS 10, 19; VersR 1963, 279). Deshalb wird bei rechtwinklig einmündenden Straßen oder auf Kreuzungen der Vorfahrtbe- reich von den Fluchtlinien der Fahrbahnen beider Straßen einschließlich etwaiger Radfahrwege gebildet (BGH VersR 1958, 784; VRS 16, 309, 312; VRS 27, 350, 352). Folgerichtig muß dann bei trichterförmigen Straßeneinmündungen das bevorrechtigte Einmündungsstück bis zu den Endpunkten der Erweiterung reichen. Denn nur so wird die ganze Fahrbahnbreite der Einmündung in die Vorfahrt einbezogen.(...). Auch die Flüssigkeit des Verkehrs erfordert keine andere Regelung. Im allgemeinen sind trichterförmig angelegte Straßeneinmündungen übersichtlich. Sie dienen gerade dazu, die Einsicht in die einmündende Straße zu erleichtern. Deshalb kann sich der wartepflichtige Verkehrsteilnehmer regelmäßig bereits vom Beginn der Einmündungsrundung an hinlänglich vergewissern, ob ein vorfahrtberechtigter Verkehrsteilnehmer naht. Allerdings ist der Vorfahrtbereich bei trichterförmigen Einmündungen nach dieser Auffassung größer als das durch die gedachten Fluchtlinien der Fahrbahnen begrenzte rechteckige Fahrbahnstück. Der Wartepflichtige darf auch nur so schnell fahren, daß er beim Auftauchen eines Vorfahrtberechtigten schon am Anfang des Trichters auf seiner Straße sofort anhalten kann (BGHSt 12, 58 = VRS 15, 383, 384). Darin liegt aber keine größere Beeinträchtigung der Verkehrsflüssigkeit, als sie mit der Vorfahrtregelung im allgemeinen verbunden ist.

Der Wartepflichtige muß auch im Interesse der Verkehrssicherheit etwaige größere Unbequemlichkeiten in Kauf nehmen, zumal das Vorfahrtrecht eine strenge einfache Auslegung verlangt (vgl. RG VAE 1944, 34 Nr. 68; BGH VRS 14, 346, 347; OLG Bremen VRS 11, 303). So muß er berücksichtigen, daß der Vorfahrtberechtigte, wenn auch möglicherweise verkehrswidrig (BGHSt 16, 255 = VRS 21, 455; VRS 27, 255), seine linke Straßenseite benutzt (RGZ 167, 357; BGH VRS 22, 134, 135) und die Kurve schneidet (BGH VRS 4, 458; vgl. auch VRS 4, 542, 543; 5, 172, 175). Dabei gilt jedoch auch zugunsten des Wartepflichtigen an einer trichterförmigen Einmündung der Vertrauensgrundsatz, daß er nicht mit einem grob verkehrswidrigen Verhalten des die Vorfahrt beanspruchenden Verkehrsteilnehmers, solange er ihn nicht sehen kann, zu rechnen braucht. Er darf sich darauf verlassen, daß dieser sich nicht mit einer in Anbetracht der Sichtverhältnisse unvernünftig hohen Geschwindigkeit der Einmündung nähert, so daß er ihn durch sein Auftau- chen überrascht und außerstande setzt, rechtzeitig vor dem Vorfahrtberechtigten anzuhalten (BGH VRS 7, 195; 15, 346, 348; 16, 124; 22, 134, 135). Er braucht sich, insbesondere bei einem großförmigen Trichter, nicht darauf einzustellen, daß ein bisher unsichtbarer Verkehrsteilnehmer auf seiner äußersten linken Fahrbahnseite nach links in die nicht bevorrechtigte Straße einbiegen werde (vgl. BGH in VRS 27, 100, 102).

(BGH, Beschluss vom 09. Juli 1965 – 4 StR 282/65 –, BGHSt 20, 238-242, Rn. 4 - 7 - juris)

Übertragen auf den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies, dass sich der für die Zeugin S. geltende Vorfahrtsbereich erweitert bis zur durch den Sachverständigen auf der Anlage 1 zu ergänzenden Stellungnahme eingezeichneten blauen Linie, die den Beginn des Einmündungstrichters beschreibt. Aus den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachver- ständigen ergibt sich, dass es dem Beklagten zu 1) in Annäherung an die Kreuzung aufgrund der Einsehbarkeit der Kreuzung auch möglich gewesen wäre, beim Erkennen des klägerischen Fahr- zeugs durch eine leichte Bremsung weit vor dem Einmündungsbereich anzuhalten.

(2)

Dem gegenüber haben die Beklagten ein Schneiden der Kurve, mithin einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot gem. § 2 Abs. 2 StVO, der Zeugin S. nicht nachgewiesen. Denn der Kollisionsort und damit die Stellung der Fahrzeuge bezogen auf die Fahrbahn stehen nicht sicher fest.

Der gerichtlich beauftragte Sachverständige hat den Kollisionsort aus der Lage der Plastiksplitter und den Angaben der Beteiligten rekonstruiert. Der Kollisionswinkel ist unstreitig und im Übrigen aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen zu den Beschädigungen an den beiden Fahrzeugen plausibel. Die Ausführungen des Sachverständigen zum Kollisionsort sind unter der Prämisse, dass die Lage der auf der Fahrbahn gefundenen Plastikteile zwischen dem Unfall und dem Anfertigen der Fotos durch die Polizei nicht mehr verändert wurde, nachvollziehbar und überzeugend. Da die polizeilichen Lichtbilder aber nach den Angaben des Zeugen PM W. nicht unmittelbar nach dem Unfall, sondern erst zwei bis sieben Tage später gefertigt wurden, kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die Lage der Plastikteile zwischen dem Unfall und der Aufnahme der Lichtbilder verändert wurde. Allein aus der relativen Stellung der Fahrzeuge zueinander lässt sich ein Schneiden der Kurve durch die Zeugin S. nicht nachweisen.

(3)

Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs tritt vorliegend vollständig zurück.

Zwar wird (der) Grundsatz, dass der Wartepflichtige im Regelfall voll haftet, (...) an Kreuzungen mit “rechts vor links” eingeschränkt. Der an sich Vorfahrtsberechtigte hat, weil er seinerseits den im Verhältnis zu ihm von rechts Kommenden Vorfahrt gewähren muss, sich der Kreuzung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 StVO ebenfalls mit mäßiger Geschwindigkeit zu nähern und sich darauf einzustellen, notfalls rechtzeitig anhalten zu können. Diese mit “halber Vorfahrt” bezeichnete Situation dient dem Schutz des von links kommenden Wartepflichtigen ebenfalls (...).

Die unter dem Stichwort „Halbe-Vorfahrt“ entwickelten Haftungsgrundsätze (...) gelten nämlich nur für nach rechts schlecht einsehbare Kreuzungen. Wenn der “halb” Vorfahrtsberechtigte die für ihn von rechts einmündende Straße rechtzeitig und weit genug einsehen kann, ist die Lage für ihn ähnlich übersichtlich, wie wenn er eine Vorfahrtsstraße befährt. Er kann deswegen auf die Beachtung seines Vorfahrtsrechts ohne Verringerung der zulässigen Geschwindigkeit vertrauen.

(KG Berlin, Urteil vom 21. September 2016 – 29 U 45/15 –, Rn. 5 u 6 m.w.N., juris).

Im vorliegenden Fall war die Kreuzung nach rechts aufgrund des stumpfen Winkels für die Zeugin S. gut einsehbar. Zudem war die durch den Sachverständigen anhand der Schäden nachvollziehbar ermittelte Kollsionsgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs im Bereich der Schrittgeschwindigkeit. Da weder die Zeugin noch der Beklagte zu 1) einen (starken) Abbremsvorgang der Zeugin vor der Kollision beschrieben haben, ist davon auszugehen, dass die Zeugin nur mit geringer Geschwingkeit in die Kreuzung eingefahren ist. In dieser Situation durfte die Zeugin auf die Beachtung ihres Vorfahrtsrechts vertrauen.

3.

Durch den Verkehrsunfall entstand auf Seiten der Klagepartei unstreitig ein Schaden in Höhe von 8.059,54 €. Abzüglich bereits erstatteter 2.653,18 € ergibt sich ein noch zu erstattender Betrag in Höhe von 5.406,36 €.

4.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren gehören als Kosten der Rechtsverfolgung ebenfalls zum ersatzfähigen Schaden gem. § 249 ff. BGB. Die tenorierten Rechtsanwaltsgebühren entsprechen einer 1,3 Geschäftsgebühr gem. §§ 13, 14 RVG Nr. 2300 VV RVG (a.F.) aus dem ersatzfähigen Schaden in Höhe von insgesamt 8.059,54 € zzgl. Pauschale für Post- und Telekommunikation gem. Nr. 7002 VV RVG zzgl. 19 % Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG., mithin 808,13 € abzüglich bereits geleisteter 334,75 €.

5.

Die Zinsansprüche folgen aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

III.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.

IV.

Die Entscheidung zum Streitwert folgt aus § 3 ZPO.

[Rechtsbehelfsbelehrung]

Zusammenfassung:
Ist die Einmündung der Vorfahrtsstraße trichterförmig erweitert, so beginnt der Vorfahrtbereich am Anfang des Trichters in der nachrangigen Straße
Rechtsgebiete:
Verkehrsrecht
Stichworte:
Gericht:
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