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Führerschein bei Führerscheinklausel

Verkehrsrecht Versicherungsrecht
24.05.2023
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BGH, Urteil vom 06.07.1988, Az. IVa ZR 90/87

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Januar 1987 aufgehoben, soweit in ihm über die Kosten des Rechtsstreits zu Lasten der Beklagten und über den Antrag der Klägerin auf Feststellung entschieden worden ist, die Beklagte habe ihr als Haftpflichtversicherer Versicherungsschutz zu gewähren.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 20. August 1985 wird zurückgewiesen.

Den beiden Klägern fallen auch die Kosten des BerufungsVerfahrens zur Last. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen.

Gründe

Tatbestand

Die Klägerin war die Halterin eines VW Polo, für den sie bei der Beklagten eine Haftpflichtversicherung unterhielt. Mit diesem Fahrzeug verschuldete der Kläger, der sich am Revisionsverfahren nicht mehr beteiligt, am 7. März 1984, ohne im Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse 3 zu sein, einen schweren Unfall, bei dem erheblicher Personenschaden eintrat und auch der VW Polo völlig zerstört wurde. Die Beklagte verweigerte der Halterin wie dem Fahrer den gewünschten Haftpflichtversicherungsschutz. Beide Klagen sind in erster Instanz erfolglos geblieben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht ihrem Begehren stattgegeben. Die Berufung des Klägers, zu deren Rücknahme die Beklagte ihre Zustimmung verweigert hat, ist vom Berufungsgericht zurückgewiesen worden. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung auch der Klage der Halterin.

Entscheidungsgründe:

Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) zugrunde. Die Leistungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin, der Versicherungsnehmerin und Halterin des Fahrzeugs, ist demnach gemäß S 2 Abs. 2c AKB in Verbindung mit S 6 Abs. 1 Satz 1 VVG nur bestehen geblieben, wenn die Klägerin ohne Verschulden annehmen konnte, der Kläger sei im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse 3.

a)

Rechtsfehlerfrei ist die Ansicht des Berufungsgerichts, unverschuldet sei die Obliegenheitsverletzung der Klägerin - das Gestatten des Führens eines haftpflichtversicherten Fahrzeugs ohne die hierzu erforderliche Fahrerlaubnis - nur dann gewesen, wenn die Klägerin auch nicht der Vorwurf leichter Fahrlässigkeit treffe. In seinen weiteren Ausführungen hat das Berufungsgericht jedoch die Sorgfaltsanforderungen zu gering bemessen und damit den Begriff der Fahrlässigkeit verkannt.

b)

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung muß ein Fahrzeughalter, der einem anderen die Führung seines Fahrzeuges überläßt, sich stets, und zwar in der Regel durch Einblick in den Führerschein, vergewissern, daß der andere die vorgeschriebene Fahrerlaubnis hat (so z.B. BGH, Urteil vom 19.2.1968 - II ZR 29/66 - VersR 1968, 443 und ständig). Demnach genügt es regelmäßig nicht zur Ausräumung des Vorwurfes der - zumindest leichten - Fahrlässigkeit, daß der Halter allein der Erklärung desjenigen vertraut hat, dem er sein Fahrzeug überläßt, daß dieser im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis sei. Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bislang Ausnahmen von dem Grundsatz anerkannt worden sind, nur die sorgfältige Einsichtnahme in den Führerschein entlaste den Halter vom Verschulden bei einem Irrtum über das Vorliegen der erforderlichen Fahrerlaubnis, handelte es sich um Fallgestaltungen, deren Besonderheiten Anlaß zu den anerkannten Ausnahmen gaben.

In dem Fall, der durch Urteil vom 16. Mai 1966 - II ZR79/64 - VersR 1966, 626 (= NJW 1966, 1359), entschieden worden ist, war der berechtigte Fahrer nicht nur ein guter Bekannter des Motorradhalters, dem zu mißtrauen letzterer keinen Anlaß hatte; ersterer fuhr vielmehr auch seit längerer Zeit ein eigenes Fahrzeug derselben Klasse (Hubraum 100 ccm) und war tatsächlich im Besitz einer Fahrerlaubnis; jedoch handelte es sich um eine vor dem 1. Oktober 1960 nach saarländischem Recht erteilte, nur noch übergangsweise fortgeltende Fahrerlaubnis der Klasse 4, die nicht zum Führen eines Motorrades mit einem Hubraum von 100 ccm berechtigte. Dem Kläger war dies aber nicht geläufig, da er seinen eigenen Führerschein erst am 8. März 1961 und damit zu einer Zeit erworben hatte, als auch im Saarland gemäß geltendem Bundesrecht für das Führen von Krafträdern mit einem Hubraum von mehr als 50 ccm einheitlich die Fahrerlaubnis der Klasse 1 vorgeschrieben war. Nur aufgrund dieser besonderen Sachverhaltsgestaltung ist als Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz ein dem Blick in den Führerschein gleichwertiger Vertrauenstatbestand für den Halter bejaht worden. In der Folgezeit hat der Bundesgerichtshof weiter daran festgehalten, daß der Halter sich grundsätzlich durch Einsichtnahme in den Führerschein zu vergewissern hat, daß diejenige Person, der er sein Fahrzeug überläßt, tatsächlich im Besitz der zum Führen dieses Fahrzeuges erforderlichen Fahrerlaubnis ist (vgl.BGH, Urteil vom 17.3.1982 - IVa ZR 234/80 - VersR 1982, 589 unter III.).

Lediglich dann, wenn der Halter weiß, daß der Fahrer, dem er seinen Wagen überläßt, die hierfür erforderliche Fahrerlaubnis tatsächlich bereits erworben hat, und wenn keine Gründe zu der Annahme bestehen, daß ihm die Fahrerlaubnis inzwischen wieder entzogen worden sein könnte, kann er entschuldigt sein, wenn er sich den Führerschein vor der Unfallfahrt nicht (nochmals) hat vorweisen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 19.2.1968 - II ZR 29/66 - VersR 1968, 443 einerseits und BGH, Urteil vom 16.6.1971 - IV ZR 73/70 - VersR 1971, 808 andererseits). Es macht nämlich hinsichtlich der an den Halter und Versicherungsnehmer zu stellenden Anforderungen einen Unterschied, ob dieser fälschlich davonausgeht, dem Fahrer sei die erforderliche Fahrerlaubnis erteilt worden, oder ob er die Tatsache der Erteilung kennt, aber die Möglichkeit eines zwischenzeitlichen Entzuges außer Acht läßt.

Als entschuldigt angesehen worden ist auch folgender Irrtum eines Halters: In zutreffender Kenntnis, daß derjenige, dem er sein Fahrzeug überlassen wollte, die Fahrprüfung (in seiner Gegenwart) für die (erforderliche) Klasse 3 bestanden und auf telefonische Anfrage bei demzuständigen Straßenverkehrsamt (in seiner Gegenwart) erfahren hatte, der Führerschein, der von der Klasse 4 auf die Klasse 3 erweitert und zu diesem Zweck hatte umgeschrieben werden sollen, liege zur Abholung bereit, gestattete er das Führen seines Fahrzeuges vor der Abholung des Führerscheins. Dabei hatte er außer Acht gelassen, daß die Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse 3 als formgebundener Verwaltungsakt erst durch die Aushändigung des umgeschriebenen Führerscheins vollzogen und wirksam werden konnte (BGH,Urteil vom 7. April 1966 - II ZR 12/64 - VersR 1966, 557 unter I. und II.).

Dagegen blieb unentschuldigt der Halter eines PKW, derder bloßen Versicherung eines Parkwächters vertraute, er sei im Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse 3, und sich deshalb auf dessen Angebot einließ, den zunächst am Rande eines offenen Parkplatzes abgestellten PKW später in eine frei werdende Lücke einzuparken (BGH, Urteil vom 22.11.1968 - IV ZR 516/68 - VersR 1969, 124). Als maßgebliches Sorgfaltskriterium wird auch hier wiederholt: In der Regel vermag der Kfz-Halter 'seine Pflicht zur Vergewisserung nur zu erfüllen,indem er sich die Fahrerlaubnis des berechtigten Fahrersvorlegen läßt'. Unterläßt er dies, so kann sein Irrtum entschuldbar sein, 'wenn er sich auf eine andere Erkenntnisquelle verlassen hat, die nach der Verkehrsanschauung vernünftigerweise den sicheren Schluß auf den Besitz des Führerscheins zuläßt'. Ein solcher Fall kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Halter seinen Wagen mit Fahrzeugschlüsseln einer Reparaturwerkstatt oder einem zur Abholung entsandten Monteur überläßt. Da es der Betrieb einer Reparaturwerkstatt zwangsläufig mit sich bringt, daß Kundenfahrzeuge mit Motorkraft bewegt werden müssen, darf der Halter sich die Überzeugung bilden, bereits vor ihm habe der Werkstattinhaber überprüft, ob bzw. daß die von ihm beschäftigten Arbeitskräfte im Besitz der Fahrerlaubnis (auch) der Klasse 3 sind. Dieses Vertrauen ist nicht generell gerechtfertigt, wenn es um die Fahrerlaubnis eines Parkwächters geht. Ein Unternehmer hat nämlich nur dann Grund, einen Parkwächter mit der Fahrerlaubnis der Klasse 3 einzustellen - und gerade das ist nach vernünftiger Verkehrsauffassung beachtlich -,wenn der Parkplatz so angelegt oder der Betrieb so organisiert ist, daß es zumindest gelegentlich notwendig wird, geparkte Fahrzeuge mit Motorkraft während der Parkzeit zu bewegen.

c)

Die aufgezeigten Grundsätze sind nur im ersten Teil folgender Ausführungen des Berufungsgerichts beachtet worden:

Zwar entschuldige es die Klägerin nicht, daß sie als selbstverständlich vorausgesetzt habe, ihr gerade erst 18 Jahre alter Bekannter, der keinen PKW besessen habe, habe bereits die Fahrerlaubnis der Klasse 3 erworben. Auch daß sie einen nicht weiter beachteten 'Führerschein' in seiner Wohnung habe liegen sehen, entlaste sie nicht.

Diese Beurteilung entfalle aber mit den Ereignissen am 7. März 1984. Hierzu hat das Berufungsgericht folgende Feststellungen getroffen: Am Grenzübergang Achenwald sei der das Fahrzeug führende Kläger im Beisein der Klägerin von einem Polizeibeamten nach seinem Führerschein gefragt worden und habe angegeben, daß er ihn vergessen habe. Daraufhin sei er aufgefordert worden mitzukommen. Allein sei der Kläger mit dem Polizeibeamten in die Grenzstation gegangen und habe bei seiner Rückkehr erklärt, er habe eine Mahngebühr bezahlen müssen. Verschwiegen habe er dabei, daß er gleichzeitig eine Kontrollaufforderung erhalten hatte.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist für die Beurteilung, ob sich die Klägerin hiermit zufrieden geben und fortan ohne Schuldvorwurf davon ausgehen durfte, ihr Bekannter sei im Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse 3, nicht maßgebend, was 'in den Kreisen der Klägerin und bei Personen ihrer Altersgruppe als durchaus üblich erscheint'. Es geht hier ausschließlich um die Sorgfaltsanforderungen, die an einen Fahrzeughalter und Versicherungsnehmer zu stellen sind. Diese werden nicht durch seine privaten Lebensgewohnheiten herabgemindert. Es spielt deshalb versicherungsrechtlich keine Rolle, daß die Klägerin bereits wenige Tage nachdem Kennenlernen im März 1984 mit ihrem späteren Verlobten und Ehemann zusammengezogen war.

Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, sie habe die Überzeugung vom Vorliegen der erforderlichen Fahrerlaubnis bei dem berechtigten Fahrer aus einer Erkenntnisquelle gewonnen, die in ihrer Zuverlässigkeit der grundsätzlich gebotenen Einsichtnahme in den Führerschein gleichwertig gewesen sei. Auch heutzutage kann es nicht als selbstverständlich angesehen werden, daß in jeder Grenzstation mit modernen technischen Hilfsmitteln überprüft werden kann und auch tatsächlich überprüft wird, ob eine Person, die behauptet, ihren Führerschein (nur) vergessen zu haben, wirklich im Besitz der entsprechenden Fahrerlaubnis ist. Ein solches Vorgehen der Grenzpolizei konnte die Klägerin allenfalls für möglich halten. Wollte sie die notwendige Gewißheit erlangen, so mußte sie den Kläger in die Grenzstation begleiten. Allein die wahrheitswidrigen, weil unvollständigen Erklärungen des der Klägerin erst seit kurzem bekannten Klägers vor der Weiterfahrt konnten keinen sie entschuldigenden Vertrauenstatbestand schaffen. Sie blieb weiterhin gehalten, sich den Führerschein zur Prüfung vorlegen zulassen, um endlich Gewißheit zu erhalten, ob ihre bloßen Vermutungen zutrafen oder nicht. Daran hat sie es jedoch in der Folgezeit bis zum Unfall fehlen lassen.

Da weitere Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen und die Klägerin bei dem Vorliegen eines von dem Fahrer verschuldeten Unfalles den Kausalitätsgegenbeweis (§ 6 Abs. 2 VVG) nicht zu führen vermag, kann der Senat selbst in der Sache entscheiden.

Zusammenfassung:
Der Halter eines Pkw genügt der Führerscheinklausel in der Regel nur dadurch, dass er sich den Führerschein des Fahrers zeigen lässt.
Rechtsgebiete:
Verkehrsrecht Versicherungsrecht
Stichworte:
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