Finkenzeller

Kein Anspruchsausschluss durch vereitelte Nachbesichtigung

Verkehrsrecht Schadensrecht
24.08.2022
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LG Ingolstadt, Urteil vom 03.03.2021, Az. 33 O 370/18

Leitsätze

1. Die rechtliche Folge aus vereitelter Nachbesichtigung des Klägerfahrzeuges ist nicht der Entfall sämtlicher Schadensersatzansprüche des Klägers, zumal das Klägerverhalten nicht in dieser Richtung durch einen Anspruchsausschluss zu sanktionieren ist.

Parkplatz im Schnee

Tenor

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 5.197,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.07.2017 zu bezahlen.

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.03.2018 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 6% und die Beklagten als.Gesamtschuldner 94% zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 5.512,01 € festgesetzt.

Gründe

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Am 06.06.2017 befuhr die Zeugin A. K. mit dem Kraftfahrzeug des Klägers Audi A5 Sportback, amtliches Kennzeichen ..., die N. Straße in I. in nördlicher Richtung. Sie ordnete sich im Bereich der Kreuzung zur T. Straße zum Linksabbiegen auf der rechten der beiden Linksabbiegerspuren ein und musste dort bei Rotlicht warten. Die Tochter der Beklagten zu 2 befuhr mit dem Pkw VW Polo der Beklagten zu 2 und haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 1, amtliches Kennzeichen ... die linke Linksabbiegerspur.

Der Kläger trägt vor, nach Umschalten der Lichtzeichenanlage seien beide Fahrzeuge links abgebogen, wobei das beklagtische Fahrzeug auf die Spur des Klägerfahrzeuges geraten und mit diesem kollidiert sei. Er begehrt Ersatz seines Sachschadens in Höhe von 4.192,15 € Reparaturkosten netto (Sachverständigengutachten Anlage K1), Wertminderung von 400 €, Ersatz von Sachverständigenkosten über 889,86 € sowie Unkostenpauschale von 30 €.

Der Kläger beantragt nach subjektiver Klageerweiterung vom 03.08.2018:
  • Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen:
  • Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten lassen die Aktivlegitimation des Klägers bestreiten, zumal er Ansprüche an den Privatsachverständigen abgetreten habe (Anlage HFB1). Trotz Vorlage von Zulassungsbescheinigung Teil I und II könne der Kläger nicht als Eigentümer gelten (Anlage HFB2 und 3). Die Fahrerin des Beklagtenfahrzeuges sei nicht auf die Fahrspur des Klägers geraten, eine Fahrspurkennzeichnung befinde sich in diesem Kreuzungsbereich nicht (Anlage HFB4).

Das klägerische Fahrzeug habe im November 2015 vor der Eigentumszeit des Klägers einen erheblichen Vorschaden mit einer Reparaturkostenkalkulation von 31.744,09 € und wirtschaftlichem Totalschaden erlitten (Anlage HFB 6, 7). Im Februar 2017 habe das Klägerfahrzeug erneut einen (Wild)Schaden erlitten, der Reparaturkosten netto von 3.047,76 € notwendig gemacht habe (Anlage HFB8). Ordnungsgemäße Reparatur sei in beiden Fällen zu bestreiten. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensumfang sei deshalb unzutreffend. Auch der Ansatz merkantilen Minderwertes sei deshalb nicht mehr gerechtfertigt. Aus der vom Kläger vorgelegten Anlage K7 ergebe sich, dass das Fahrzeug sogar einen Rahmenschaden erlitten habe.

Es wird verwiesen auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung mit Beweisaufnahme vom 09.01.2019, den Beweisbeschluss vom 10.04.2019, das Sachverständigengutachten des Diplom-Ingenieur FH Wolfgang Tomulla vom 12.11.2019, seine ergänzenden Ausführungen vom 10.07.2020, den Beschluss gemäß § 128 II ZPO vom 03.02.2021, die Schriftsätze der Parteivertreter und die zum Akt gelangten Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist größtenteils begründet. Die Beklagten schulden Schadensersatz gemäß §§ 7,17 StVG in Verbindung mit 115 VVG.

I.

Der Kläger legt eine Rückabtretung der Ansprüche seitens des Sachverständigen vor (Anlage K6), weiterhin einen Kaufvertrag unter Anlage K7, ferner Anlage K 10. Damit ist seine Aktivlegitimation hinreichend nachgewiesen. Unter Beachtung des schuldrechtlichen Abstraktionsprinzips und § 952 BGB ist ein weitergehender Nachweis für das Eigentum an einem Fahrzeug nicht möglich und vom Kläger auch nicht zu erbringen. Kaufverträge, Zulassungspapiere oder Haltereigenschaft liefern keinen Eigentumsnachweis, die vorgelegten Fahrzeugdokumente Zulassungsbescheinigung Teil I und II werden als ausreichend zum Nachweis der Sachberechtigung angesehen.

Im Rahmen der Terminsverfügung vom 25.05.2018 gab das Gericht der Beklagtenseite auf zu erwägen, ob die Fahrerin des Beklagtenfahrzeuges als Zeugin zum Unfallhergang benannt werden solle. Die Klageseite erstreckte die Klage sodann auf die benannte Zeugin und nunmehrige Beklagte zu 2.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 09.01.2019 führt der Kläger aus, seine Ehefrau habe das Fahrzeug gefahren, diese sei auch alleine im Auto gewesen.

Die Beklagte zu 2 sagte aus, auch sie sei das Fahrzeug nicht gefahren, sondern ihre 17-jährige Tochter im Rahmen des begleiteten Fahrens, die Beklagte zu 2 sei lediglich Beifahrerin gewesen. Sie führt aus, es habe viel Verkehr geherrscht an diesem Tag, im Bereich der Kreuzung gebe es zwei Linksabbiegerspuren, auch sei eine Baustelle vorhanden gewesen. Die Beklagte zu 2 bestätigt, auf der linken der beiden Linksabbiegerspuren gestanden zu sein, die Tochter sei langsam in die Kreuzung eingefahren, Gegenverkehr musste nicht durchgelassen werden. Die Beklagte zu 2 habe die Tochter noch angewiesen, sich links einzuordnen auf ihrer Fahrspur, diese sei jedoch geradeaus weiter gerollt, sodass das beklagtische Fahrzeug mit dem klägerischen Fahrzeug seitlich kollidiert sei. Die Tochter sei zu weit geradeaus gefahren, sie sei nicht links eingefahren. Farhbahnmarkierungen auf der Straße seien nicht aufgebracht, die Beklagte zu 2 bestreitet den haftungsbegründenden Schuldvorwurf nicht und führt aus, eigentlich habe sie keine Einwände gegen diesen Vorwurf. Sie legt eine von ihrem Ehemann gefertigte Skizze vor (Unfallskizze.de) diese wird als Anlage zum Protokoll genommen (Blatt 64 der Akte). Den Parteien wurde jeweils aufgegeben, gefertigte Lichtbilder zum Akt zu reichen (Protokoll Seite 3). Die Beklagte zu 2 führt aus, Halterin des Fahrzeuges gewesen zu sein.

Die präsente Zeugin A. K., Ehefrau des Klägers, führte aus, es hatte am Nachmittag stark geregnet gehabt, ihre Angaben decken sich mit derjenigen der Beklagten zu 2. Sie gibt an, die Tochter der Beklagten zu 2 sei plötzlich auf ihre (der Zeugin) Seite gekommen und in ihren Wagen hineingefahren. Eine Annäherung der Fahrzeuge habe sie nicht bemerkt, eine Möglichkeit der Vermeidung des Verkehrsunfalls habe ebenfalls nicht bestanden.

II.
1.

Aufgrund des Unfallablaufes, ermittelt in mündlicher Verhandlung vom 09.01.2019, steht die alleinige Haftung der Beklagtenseite für die Folgen des Verkehrsunfalls zu Überzeugung des Gerichts fest. Gemäß übereinstimmender Darstellung der am Unfall beteiligten Personen hat die Fahranfängerin, Tochter der Beklagten zu 2 im Rahmen begleiteten Fahrens für Fahranfänger unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ihre Fahrspur während des Abbiegeprozesses verlassen und ist in die Fahrspur der Klageseite eingefahren. Es liegt insgesamt ein nicht gewollter Spurwechsel vor, der zur Schädigung des Klägerfahrzeuges geführt hat. Die alleinige Haftung der Beklagtenseite für die entstandenen Schäden ist deshalb festzustellen. Hingegen entfaltet das unter Anlage K 12 im August 2020 vorgelegte Schriftstück nicht die von der Klageseite erwünschte Rechtswirkung eines Schuldanerkenntnisses. Zulasten seines Versicherers darf der Schädiger entsprechende Erklärungen nicht abgeben, bei der Wertung entsprechender Schriftstücke ist daher besondere Vorsicht geboten.

2.

Vorgerichtlich war die Schadenshöhe zwischen den Parteien bereits streitig, weshalb die Beklagte 1 durch Schreiben vom 17.08.2017 (Anlage K4) mitgeteilt hat, den klägerischen Pkw nachbesichtigen zu wollen. Dies hat der anwaltlich vertretene Kläger ohne Angabe von Gründen verweigert. Die Klagepartei hat auf den beklagtischen Einwand hin eine Darstellung (Anlage K8) zu den Kosten der Reparatur von zwei gehabten Vorschäden vom 19.02.2017 und 19.11.2015 vorgelegt. Eine Nachbesichtigung des Fahrzeuges hat sie indes nicht zugelassen.

Nach Durchführung mündlicher Verhandlung ergeht am 10.04.2019 Beweisbeschluss mit der Anordnung der Beweiserhebung, am Klägerfahrzeug sei durch den streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 06.06.2017 ein Sachschaden in Höhe von Reparaturkosten netto 4.192,15 € sowie eine Wertminderung von 400 € entstanden. Bei den Untersuchungen sind die Vorschäden des Klägerfahrzeuges aus den Anlagen KFB 6,7 und 8 zu berücksichtigen.

Zum Sachverständigen wurde Diplom-Ingenieur FH Wo. To., ... I., bestimmt. Auf den Beweisbeschluss wird weitergehend verwiesen.

Der Sachverständige legt seine gutachterlichen Ausführungen unter dem 12.11.2019 vor (Blatt 89-123 der Akte). Das Beklagtenfahrzeug wurde zwischenzeitlich verkauft und konnte vom Sachverständigen zunächst nicht begutachtet werden. Der Sachverständige hat seine gutachterlichen Ausführungen auf Grundlage der vorbestehenden Gutachten zum Klägerfahrzeug zu machen. Eine Besichtigung des Fahrzeuges war ihm ebenso nicht möglich. Es wird verwiesen auf die bestehenden Vorgutachten und dem Sachverständigen zugeleiteten Lichtbilder (Seite 2 und 3 des Gutachtens). Der Sachverständige beschreibt die ersichtlichen Schäden an der hinteren linken Türe des Audi.

Am 14.11.2015 hat der Audi einen nicht unerheblichen Frontschaden erlitten (Anlagen HF B6 und 7). Die komplette Fahrzeugfront ist dort großflächig eingedrückt, Lichtbilder 19-26 des Sachverständigengutachtens ...). Am 06.03.2017 war ein Wildschaden zu verzeichnen, Lichtbilder 27-29 zeigen einen Anstoßschwerpunkt vorne links am Audi sowie Schaden am Türblatt der Fahrertüre, Lichtbilder Blatt 30-34, Schäden an der Front Bilder 33, 35 und 36.

An den Stellen, an denen das Klägerfahrzeug nach dem streitgegenständlichen Unfall Schäden aufgewiesen hat, waren an gleicher Stelle durch die Vorschäden jedoch keine Beschädigungen erkennbar. Der Sachverständige untersucht die Schadenskorrespondenz durch den hier streitgegenständlichen Verkehrsunfall und nimmt zu den notwendigen Reparaturkosten Stellung, die er auf netto 4.282,74 € taxiert.

Der vordere rechte Eckbereich des Beklagtenfahrzeuges komme als Schadensverursacher in Betracht, dies lasse einen korrespondierenden Schaden am Beklagtenfahrzeug erwarten. Auch nach Überprüfung mittels Software wäre der geschilderte Unfallablauf plausibel, es sei eine Berührung auf Höhe der hinteren linken Türe sowie am Übergang zur Fahrertüre des Klägerfahrzeuges mit zunehmender Eindringtiefe zu rechnen. Die dokumentierten Schäden an den Türen und dem Einstiegsschweller am Klägerfahrzeug könnten dadurch entstehen. Um eine sichere Aussage treffen zu können, wäre eine Besichtigung des Beklagtenfahrzeuges notwendig. Insbesondere ist nicht plausibel, dass das Klägerfahrzeug einen Schaden am linken hinteren Reifen und der zugehörigen Leichtmetallfelge aufweist, im weiteren Verlauf jedoch erst wieder nahe der Fahrzeugmitte an den linken Türen. Aus dem Bildmaterial des Sachverständigenbüros Augsburg ist ein Schaden im hinteren Bereich der linken Türe nicht ersichtlich.

Eine Wertminderung am Klägerfahrzeug ist aufgrund der gehabten Vorschäden nicht mehr in Ansatz zu bringen, bereits in Jahre 2015 wurde hier eine Wertminderung von 2000 € zugrunde gelegt, sodass ein erneuter Ansatz nicht gerechtfertigt ist. Eine abschließende Beurteilung des am Klägerfahrzeuge entstandenen Schadens ist jedoch erst möglich, wenn der Schaden am Beklagtenfahrzeug durch den Sachverständigen der ... begutachtet werden kann. Auf das Gutachten wird ergänzend verwiesen.

Auf Antrag der Beklagtenseite und unter beidseitiger Anregung der Nachbesichtigung des Beklagtenfahrzeuges fertig der Sachverständige unter dem 10.07.2020 eine ergänzende Stellungnahme zum Gutachten. Das Beklagtenfahrzeug wurde an einen Käufer aus Eichstätt weiterverkauft (Kaufvertrag Anlage HFB 11), wo der Sachverständige den Wagen im Nachgang in Augenschein nehmen konnte. Nach Besichtigung des Beklagtenfahrzeuges führt der Sachverständige ergänzend aus, dass die Eindrückung des Türblattes als auch die des Schwellers am Klägerfahrzeug vom Beklagtenfahrzeug erzeugt worden sein kann, bei der Besichtigung des Beklagtenfahrzeuges fanden sich jedoch keinerlei korrespondierende Spuren, weder am Reifen noch an der Felge. Das Klägerfahrzeug kann an den Türen linksseitig sowie dem Einstiegsschweller durch den Verkehrsunfall beschädigt worden sein. Das Ergänzungsgutachten führt hierzu aus, das Fahrzeug zeigt Steifschäden gemäß Lichtbildern 3-5. Weiter stellt der Sachverständige fest, dass ein Schaden im hinteren Bereich der linken Türe des Audi aus den Bildern des Sachverständigenbüros Augsburg nicht erkennbar ist, die Existenz zweier streitgegenständlicher Anstöße kann dagegen nahezu ausgeschlossen werden. Auf das Ergänzungsgutachten wird verwiesen. Eine weitergehende Anhörung des Sachverständigen wurde nicht beantragt.

3.

Aufgrund des Unfallablaufes, ermittelt in mündlicher Verhandlung vom 09.01.2019, steht zur Überzeugung des Gerichts die alleinige Haftung der Beklagtenseite für die Folgen des Verkehrsunfalls fest. Die Beklagtenseite hat durch Schreiben vom 17.08.2017 (Anlage K4) mitgeteilt, den klägerischen Pkw nachbesichtigen zu wollen. Dies hat der anwaltlich vertretene Kläger ohne Angabe von Gründen verweigert. Die Klagepartei hat auf den beklagtischen Einwand hin Anlage K8 zu den Kosten der Reparatur von Vorschäden vorgelegt. Eine Nachbesichtigung des Fahrzeuges hat sie indes nicht zugelassen.

Es liegen begründete Zweifel an der Richtigkeit des vorgelegten Privatgutachtens vor.

Das klägerische Fahrzeug hat im November 2015 vor der Eigentumszeit des Klägers einen erheblichen Vorschaden mit einer Reparaturkostenkalkulation von 31.744,09 € und wirtschaftlichem Totalschaden erlitten (Anlage HFB 6, 7). Aber auch im Februar 2017 hat das Fahrzeug einen Wildschaden erlitten, der Reparaturkosten netto von 3047,76 € erzeugte (Anlage HFB8).

Ordnungsgemäße Reparatur wurde von der Beklagtenseite jeweils bestritten. Aus der vom Kläger vorgelegten Anlage K7 ergibt sich, dass das Fahrzeug sogar einen Rahmenschaden erlitten habe.

In Rechtsprechung und Schrifttum ist zwar grundsätzlich anerkannt, dass dem Kraftfahrthaftpflichtversicherer regelmäßig kein Anspruch auf Nachbesichtigung des unfallgeschädigten Fahrzeuges zusteht (LG München I ZfSch 1991, 123: etwas Anderes könne allenfalls dann gelten, wenn z. B. ein Verdacht auf betrügerische Geltendmachung von Unfallschäden vorliege und behauptet werde, dass Vorschäden verschwiegen worden seien; LG Kleve ZfSch 1999, 239, 240; AG Rostock ZfSch 2000, 151, 152: „regelmäßig“ kein Anspruch; Jaeger VersR 2011, 50; Dötsch ZfSch 2013, 63).

Im Rahmen des gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen dem Geschädigten und dem gegnerischen Haftpflichtversicherer sind aber auch dem Erstgenannten in Grenzen Pflichten zur Rücksichtnahme auf den Haftpflichtversicherer bei der Schadensfeststellung auferlegt, deren Verletzung über prozessuale Nachteile für die Durchsetzung der eigenen Schadensersatzansprüche hinaus sogar unter besonderen Umständen zum Ersatz von Schäden des Versicherers verpflichten kann (BGH VersR 1984, 79). Kann der Haftpflichtversicherer begründete Zweifel an der Richtigkeit des vom Geschädigten vorgelegten Privatgutachtens haben, verstößt der Geschädigte gegen die ihm obliegende Rücksichtspflicht, wenn er dem vom Haftpflichtversicherer beauftragten Sachverständigen, ohne einen berechtigten Grund zu haben, die Besichtigung des Fahrzeugs verwehrt (vgl. BGH VersR 1984, 79, OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29.5.2018 - 4 W 9/18 (NZV 2020, 88, beckonline).

Vorliegend bestehen derartige begründete Zweifel an der Darstellung des Schadensumfangs durch die Klage.

Die Klage weist im Nachgang auf Anlage K 13 hin, ein Schreiben vom 31.07.2017, in dem ein Nachbesichtigungstermin angeboten worden sei. Das Studium der Anlage ergibt dies indes nicht.

Im Ergänzungsgutachten führt der Sachverständige aus, dass ihm Nachweise über die - bestrittene - fachgerechte Reparatur der Vorschäden des Klägerfahrzeuges nicht vorgelegt wurden. Zwar konnten die Schäden am Klägerfahrzeug durch das Beklagtenfahrzeug erzeugt worden sein, es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Schäden auch durch ein anderes Fahrzeug verursacht worden sein könnten. Der Sachverständige verweist auf das Erstgutachtens Seite 8. Die rechtliche Folge aus vereitelter Nachbesichtigung des Klägerfahrzeuges ist nicht der Entfall sämtlicher Schadensersatzansprüche des Klägers, zumal das Klägerverhalten nicht in dieser Richtung durch einen Anspruchsausschluss zu sanktionieren ist. Es wurde im Rahmen der laufenden Beweisaufnahme versucht, ohne dieses Beweismittel den Schadensumfang bestmöglich zu ergründen. Die Motive für das Verhalten des Klägers bleiben freilich im Dunkeln.

Festzuhalten bleibt nach Beweisaufnahme, dass eine Kollision zwischen den beiden beteiligten Fahrzeugen stattgefunden hat und das Klägerfahrzeug im einschlägigen Bereich der linken vorderen Türe und Schweller nicht einschlägig vorgeschädigt war. Weitere Schäden konnten dem Ereignis nicht zugeordnet werden. Da eine ordnungsgemäße Reparatur dieses Schadens nicht nachgewiesen ist, konnte der Kläger auf Gutachtensbasis abrechnen. Die vom Sachverständigen im Gutachten aufgestellte Kalkulation beruht auf den durch Lichtbilder am Klägerfahrzeug feststellbaren Beschädigungen am Klägerfahrzeug. Hieran waren hinsichtlich der Reifengröße Korrekturen anzubringen, zusätzlich zum Privatgutachten bringt der gerichtlich bestellte Sachverständige die Erneuerung des linken Hinterreifens sowie eine anschließende Vermessung des Fahrwerkes in Ansatz. So gelangt er zu den notwendigen Reparaturkosten von 4282,74 € netto.

Die Klage macht insoweit lediglich 4192,15 € geltend und verweist dazu auf das Privatgutachten der Anlage K1. Da eine Wertminderung jedoch nicht zugesprochen wird, und der Klageantrag nicht auf Reparaturkosten beschränkt ist, konnte das Gericht diesen Schadensbetrag (4282,74 € netto) zuzüglich unbestrittener Sachverständigenkosten über 889,86 € sowie eine Unkostenpauschale von 25 € zusprechen. Dies ergibt insgesamt den Anspruch von 5197,60 €. Die weitergehende Klageforderung war abzuweisen.

Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 286, 288 BGB. Der rechtliche Hinweis der Beklagtenseite zum Verzugseintritt (Seite 11 der Klageerwiderung, BGH Urteil vom 25.10.2007, III ZR 91/07) geht fehl, zumal es sich bei der Beklagten zu 1 nicht um einen Verbraucher handelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stammt aus § 709 Satz eins, Satz zwei ZPO.

Zusammenfassung:
Die rechtliche Folge aus vereitelter Nachbesichtigung eines Unfallfahrzeuges ist nicht der Entfall sämtlicher Schadensersatzansprüche des Geschädigten.
Rechtsgebiete:
Verkehrsrecht Schadensrecht
Stichworte:
Gericht:
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