1. Auf die Berufung des Klägers und der Drittwiderbeklagten vom 06.12.2021 wird das Endurteil des LG München I vom 15.11.2021 (Az. 19 O 7910/20) in Nr. 2 und 4 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.927,90 € sowie weitere 571,44 € jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.07.2020 zu zahlen.
II. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte werden verurteilt, jeweils samtverbindlich an den Beklagten zu 2) als Widerkläger 29,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.03.2020 und Basiszinssatz seit 06.03.2020 und an die A. Versicherungs-AG, A., …, unter Angabe der Schadennummer ..., weitere 440,21 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.06.2021 zu zahlen.
III. Im Übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.
IV. Von den Gerichtskosten I. Instanz tragen der Kläger und die Drittwiderbeklagte samtverbindlich 4% sowie weitere 2% der Kläger allein, die Beklagten samtverbindlich 39% und weitere 55% der Beklagte zu 2) allein.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen 6% der Kläger selbst, die Beklagten samtverbindlich 39% und weitere 55% der Beklagte zu 2) allein.
Von den außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten tragen 5% die Drittwiderbeklagte selbst und 95% der Beklagte zu 2).
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen 93% die Beklagte zu 1) selbst und 7% der Kläger.
Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) tragen 94% der Beklagten zu 2) selbst, der Kläger und die Drittwiderbeklagte samtverbindlich 4% und weitere 2% der Kläger allein.
2. Der Beklagte zu 2) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.596,34 € festgesetzt.
A.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO).
B.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, da das Erstgericht den im Wege der Widerklage geltend gemachten Schadensersatz rechtsfehlerhaft ohne Anrechnung der Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges über eine Haftungsquote von 50% hinaus zugesprochen hat.
Im Einzelnen:
1. Zwar sind die Ausführungen des Erstgerichts im Grundsatz zutreffend, wonach dem Schadensersatzanspruch des nichthaltenden Leasinggebers (Eigentümers) aus §§ 7 I, 18 I StVG die allgemeine Betriebsgefahr des Leasingfahrzeuges anspruchsmindernd entgegengehalten werden kann (vgl. S. 12 des Ersturteils, Bl. 94 d. LG-A.), wenn der Leasingnehmer die Schadensersatzansprüche wegen unfallbedingter Verletzung des Eigentums am Leasingfahrzeug im eigenen Namen im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft geltend macht, da es hierfür keine Zurechnungsnorm gibt (OLG München, Urteil vom 28. Oktober 2016 - 10 U 2602/16 im Anschluss an BGH, 10. Juli 2007, VI ZR 199/06, BGHZ 173, 182).
Allerdings hat das Erstgericht verkannt, dass die Voraussetzung einer gewillkürten Prozessstandschaft vorliegend nicht gegeben sind.
Eine gewillkürte Prozessstandschaft liegt vor, wenn der Prozessführende ermächtigt ist, den geltend gemachten Anspruch im eigenen Namen einzuklagen und er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozessführung hat (BGHZ 78, 1, 4 m. N.; BGH, Urteile vom 12. Juli 1985 - V ZR 56/84, NJW-RR 1986, 158; vom 19. März 1987 - III ZR 2/86, BGHZ 100, 217, 218; vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038). Schutzwürdig ist ein Interesse des Klägers nur, wenn der Beklagte durch die gewählte Art der Prozessführung nicht unbillig benachteiligt wird (BGH, Urteile vom 2. Oktober 1987 - V ZR 182/86, NJW-RR 1988, 126, 127; vom 24. Oktober 1985 - VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151, 155/156). Zudem muss er sich im Rechtsstreit grundsätzlich auf die ihm erteilte Ermächtigung berufen und zum Ausdruck bringen, wessen Recht er geltend macht (BGH NJW 1972, 1580), es sei denn, es ist für alle Beteiligten eindeutig klar, welches Recht eingeklagt wird (BGHZ 78, 1, 6: zum Ganzen BGH, Urteil vom 21. März 1985 - VII ZR 148/83 -, BGHZ 94, 117-124).
Diese Voraussetzungen sind jedoch vorliegend gerade nicht erfüllt. Zwar heißt es in Ziffer XVI. 6. der streitgegenständlichen Leasingbedingungen (Anlage BLD 1) folgendermaßen:
„Der LN ist auch über das Vertragsende hinaus - vorbehaltlich eines Widerrufs durch den LG - ermächtigt und verpflichtet, alle fahrzeugbezogenen Ansprüche aus einem Schadensfall im eigenen Namen und auf eigene Kosten geltend zu machen (Prozessstandschaft) […].“
Allerdings folgt aus der vorstehenden Regelung nicht, dass vorliegend die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft gegeben sind. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass in Ziffern XVI. 1. und 4. der Leasingbedingungen Folgendes geregelt ist:
„1. Während der Leasinglaufzeit haftet der LN dem LG für Untergang, Verlust, Beschlag nahme und Beschädigung des Fahrzeugs verschuldensunabhängig [Anmerkung: Hervorhebung durch den Senat] .
(…) 4. Der LN hat die notwendigen Reparaturarbeiten unverzüglich im eigenen Namen und auf eigene Rechnung [Anmerkung: Hervorhebung durch den Senat] in einer vom LG autorisierten Fachwerkstatt durchführen zu lassen, es sei denn, dass wegen Schwere oder Umfang der Schäden ein - technischer oder wirtschaftlicher - Totalschaden anzunehmen ist oder die voraussichtlichen Reparaturkosten 60% des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeugs übersteigen.[…]“
Entsprechend der vorstehenden Klauseln war der Beklagte zu 2) gehalten, die Reparatur des Leasingfahrzeuges im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchführen zu lassen, so dass er mit der Widerklage auch hinsichtlich der fahrzeugbezogenen Schäden eigene Schadensersatzansprüche verfolgt.
Auch liegt ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Prozessführung im eigenen Namen nicht vor. „Ein schutzwürdiges Interesse ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten hat (BGH, Urteil vom 5. Februar 2009 - III ZR 164/09, NJW 2009, 1213, 1215 mwN). Es kann auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden“ (BGH, Urteil vom 24. August 2016 - VIII ZR 182/15, NJW 2017, 487, 88; Senatsurteil vom 19. September 1995 - VI ZR 166/94, NJW 1995, 3186; BGH, Urteil vom 23. September 1992 - I ZR 251/90, BGHZ 119, 237, 242; BGH, Urteil vom 07. März 2017 - VI ZR 125/16). Für die Klage des Leasingnehmers wird ein solches in der Rechtsprechung bejaht (vgl. OLG Karlsruhe, r+s 2014, 577, 578). Vorliegend ist der Beklagte zu 2) als Leasingnehmer gerade keinem Regressanspruch der Leasinggeberin aus der Betriebsgefahr ausgesetzt. Die Leasinggeberin hat auch gar kein Interesse, sich mit der Frage der Reparaturkosten zu befassen, da die Durchführung der Reparatur verschuldensunabhängig dem Beklagten zu 2) obliegt.
2. Da es sich somit auch hinsichtlich der fahrzeugbezogenen Schäden um eigene Schadensersatzansprüche des Beklagten zu 2) als Leasingnehmer handelt, muss dieser sich seine eigene Betriebsgefahr entgegengehalten lassen. Es liegt gerade nicht der „klassische Fall“ vor, wonach es an einer Norm fehlen würde, aufgrund derer sich die nicht haltende Leasinggeberin die Betriebsgefahr des von dem Beklagten zu 2) als Leasingnehmer gehaltenen Fahrzeugs zurechnen lassen müsste (vgl. BGH, Urteil vom 07. März 2017 - VI ZR 125/16; Senat, Urteil vom 12. Januar 2018 - 10 U 3100/07).
3. Selbst wenn man im vorliegenden Fall von einer gewillkürten Prozesstandschaft und mithin von einer wirksamen Ermächtigung zur Geltendmachung der fahrzeugbezogenen Schäden als fremde Rechte im eigenen Namen ausgehen würde, könnten sich der Kläger und die Drittwiderbeklagte wirksam auf die „dolo agit“ - Einrede berufen. Insoweit verweist die Berufung zutreffend auf die in dem Verfahren 13 U 45/16, dem eine gleichlautende Konstellation zugrunde gelegen ist, ergangenen Beschlüsse des OLG Nürnberg vom 19.07.2017 und vom 15.08.2017 (vgl. S. 4 der Berufungsbegründung vom 14.02.2022, Bl. 12 d. OLG-A. sowie Anlagen BLD 2 und 3).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I 1 Fall 1, 97 I, 100 ZPO.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO.
IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 II 1, 47 I 1, 40, 48 I 1 GKG, 3 ff. ZPO.