Finkenzeller

Kein konkludenter Mietvertrag nach Räumungsverlangen

Mietrecht
24.09.2022
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OLG Dresden, Urteil vom 10.08.2022, Az. 5 U 743/22

Leitsätze

1. Der Ausschluss von § 545 BGB ist nicht nur individualvertraglich, sondern auch formularvertraglich wirksam möglich.

2. Es ist unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 545 BGB möglich, dass die Parteien nach Beendigung eines Mietverhältnisses konkludent ein neues Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit auf der Grundlage des beendeten Mietverhältnisses begründen, wenn sich nämlich im Einzelfall feststellen lässt, dass dies dem zum Ausdruck gekommenen übereinstimmenden Willen der Parteien und deren Interesse entspricht. Eine solche konkludente Einigung wird in der Rechtsprechung regelmäßig dann angenommen, wenn das Mietverhältnis nach dessen Beendigung für einen längeren Zeitraum weiterhin 'gelebt' wurde, also widerspruchslos zum einen dem Mieter die Räume überlassen wurden und zum anderen vom Vermieter die Miete entgegengenommen wurde, sowie die Annahme eines (fortbestehenden) Vertragsverhältnisses der Interessenlage der Parteien entsprach. Die Zahlung des der Miete entsprechenden Entgeltes allein genügt dafür nicht, weil der bisherige Mieter nach dem Ende des Mietverhältnisses diesen Betrag als Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB schuldet, wenn er das Mietobjekt entgegen § 546 Abs. 1 BGB nicht zurückgibt.

3. Die Reduzierung einer Nutzungsentschädigung im beendeten Mietverhältnis aufgrund einer staatlichen Schließungsanordnung kommt nicht in Betracht, da kein anpassbares Mietverhältnis mehr besteht.*

Neubau 2

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 06.04.2022 (04 O 1978/21) abgeändert.

I. Die Beklagten zu 1., zu 2., zu 3. und zu 4. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 7.083,06 EUR nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2021 zu zahlen.

II. Die Widerklage wird abgewiesen.

II. Die Beklagten zu 1., zu 2., zu 3. und zu 4. tragen die Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen als Gesamtschuldner.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1., eine GbR, als Mieterin, die Beklagten zu 2. und zu 3. als Gesellschafter der Beklagten zu 1. und die Beklagte zu 4. als Mietbürgin auf Zahlung von rückständiger Nutzungsentschädigung für Gewerberäume im Erdgeschoss des Objekts B... xx-xx in L... in Anspruch.

Die damalige Grundstückseigentümerin, die N...... Beteiligungs-Aktiengesellschaft, und die Beklagte zu 1. schlossen am 25.10.2013 einen Mietvertrag (Anlage K 2) über eine Ladeneinheit im Erdgeschoss und eine Nebenfläche im streitgegenständlichen Objekt. Die monatliche Gesamtbruttomiete belief sich ab dem 01.01.2020 auf 2.561,93 EUR, worin eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 289,17 EUR enthalten war. In § 2 Nr. 4 des Mietvertrages wird die Anwendung von § 545 BGB nach Ablauf der Mietzeit ausgeschlossen. Die in § 21 Nr. 1 des Mietvertrages vereinbarte Mietsicherheit zur Sicherung aller Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis in Höhe von 7.350,00 EUR erbrachte die Beklagte zu 1. dadurch, dass die Beklagte zu 4. für sie eine unbefristete und selbstschuldnerische Mietkautionsbürgschaft vom 22.01.2019 (Anlage K 3) bis zu einem Höchstbetrag von 7.350,00 EUR für alle künftig fällig werdenden oder aus Anlass der Beendigung des Mietverhältnisses entstehenden Ansprüche übernahm.

Die Klägerin trat mit dem Erwerb des Grundstückes B... xx-xx in L... am 27.06.2019 auf Vermieterseite in das Mietverhältnis mit der Beklagten zu 1. ein (Grundbuch-Auszug als Anlage K 1).

Nachdem die Beklagte zu 1. die Gesamtbruttomiete für die Monate Juli und August 2019 nicht bezahlt hatte, erklärte die Klägerin mit dem Schreiben vom 22.08.2019 (Anlage K 4) die außerordentliche und fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges und forderte die Beklagte zu 1. auf, die Gewerberäume am 06.09.2019 zurückzugeben.

Die Beklagte zu 1. zahlte die rückständige Miete nach der Kündigung im August 2019 nach, gab aber die Gewerberäume nicht an die Klägerin heraus.

Nachdem die Beklagte zu 1. die Nutzungsentschädigung für März 2020 erst am 02.06.2020 und die Nutzungsentschädigung für die Monate April und Mai 2020 nicht bezahlt hatte, wandte sich die Klägerin mit dem Schreiben vom 15.06.2020 (Anlage K 5) an die Beklagte zu 1. Sie stellte in diesem Schreiben zunächst fest, dass die Beklagte zu 1. die Gewerberäume entgegen der Kündigung vom 22.08.2019, auf welche die Klägerin zurückkomme, nicht herausgegeben habe, weswegen eine Nachfrist zur Räumung bis zum 30.06.2020 gesetzt werde, anderenfalls eine Räumungsklage drohe. Vorsorglich und für den Fall, dass die fristlose Kündigung vom 22.08.2019 einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalte, erkläre die Klägerin weiterhin die ordentliche Kündigung zum 30.06.2021, hilfsweise zum nächsten möglichen Termin, bzw. die außerordentliche und fristlose Kündigung.

Die Beklagte zu 1. bestätigte mit ihrem Schreiben vom 25.06.2020 (Anlage K 6) den Eingang des Kündigungsschreibens der Klägerin und kündigte an, sie werde die Gewerberäume bis zum 30.06.2021 an die Klägerin übergeben.

Die Beklagte zu 1. zahlte die offene Nutzungsentschädigung für April und Mai 2020 nicht nach, zahlte aber die Nutzungsentschädigung für den Zeitraum von Juni 2020 bis Mai 2021. Für den Monat Juni 2021 zahlte die Beklagte zu 1. keine Nutzungsentschädigung. Zum 30.06.2021 gab die Beklagte zu 1. die Gewerberäume an die Klägerin zurück.

Die Klägerin begehrt unter Bezugnahme auf das als Anlage K 8 vorgelegte Mieterkonto die Zahlung von rückständigem Nutzungsersatz für die Monate April und Mai 2020 sowie Juni 2021, den sie auf 7.083,06 EUR beziffert.

Sie trägt vor, der Anspruch sei aus § 546a Abs. 1 BGB gerechtfertigt, weil die Beklagte zu 1. ihr die Gewerberäume nach wirksamer fristloser Kündigung vom 22.08.2019 noch bis zum 30.06.2021 vorenthalten und die mit der Klage geltend gemachte Nutzungsentschädigung nicht bezahlt habe. Das Mietverhältnis sei weder gemäß § 545 BGB verlängert noch nach der wirksamen Kündigung vom 22.08.2019 durch konkludenten Vertragsschluss neu begründet worden. Auch wenn die bestrittene Behauptung der Beklagten zutreffe, die Gewerberäume hätten in der Zeit vom 19.03. bis zum 20.04.2020 sowie in der Zeit vom 16.12.2020 bis zum 31.05.2021 infolge einer Schließungsanordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt wegen des sich verbreitenden SARS-CoV-2-Virus (Corona-Pandemie) geschlossen werden müssen, führe dies nicht zu einer Reduzierung der von der Beklagten zu 1. für diesen Zeitraum zu zahlenden Nutzungsentschädigung. Möglich sei in einer solchen Situation zwar eine Vertragsanpassung eines Mietvertrages gemäß § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage). Mangels eines bestehenden Mietvertrages zu den Zeiten der angeblichen Schließungsanordnung scheide aber eine solche Vertragsanpassung hier aus. Der Beklagten zu 1. stehe aus diesem Grunde kein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete zu, mit welchem sie gegenüber dem Anspruch der Klägerin aufrechnen könne, und die von der Beklagten zu 1. erhobene Widerklage wegen eines angeblich überschießenden Zahlungsbetrages sei unbegründet.

Die Beklagten haben vorgetragen, das Mietverhältnis sei nach der außerordentlichen Kündigung durch die Klägerin infolge des Verhaltens der Klägerin und der Beklagten zu 1. konkludent fortgesetzt worden. Während der pandemiebedingten Schließungszeiten sei es angemessen, eine Reduzierung der Miete um 50 % vorzunehmen. Berücksichtige man die vollständige Mietzahlung der Beklagten zu 1. insbesondere im Zeitraum von Dezember 2020 bis Mai 2021, ergebe sich danach nicht nur keine rückständige Miete, sondern sogar eine Überzahlung der geschuldeten Miete durch die Beklagte zu 1. im Umfang von 568,10 EUR, deren Rückzahlung von ihr mit der Widerklage verfolgt werde.

Wegen des Sachvortrages im Übrigen und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem Urteil vom 06.04.2022 die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte zu 1. 279,02 EUR nebst Zinsen zu bezahlen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. habe bis zum 30.06.2021 bestanden, obwohl es von der Klägerin im August 2019 - wohl wirksam - gekündigt worden sei. Die Klägerin habe aber keine Schritte zu einer Räumung der Gewerberäume durch die Beklagte zu 1. unternommen. Vielmehr hätten die Parteien durch eine Vielzahl von Handlungen und Schriftwechsel zu erkennen gegeben, dass das Mietverhältnis zu den alten Konditionen fortgesetzt werden solle. Am Deutlichsten werde dies dadurch, dass die Klägerin im Schreiben vom 15.06.2020 vorsorglich eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.06.2021 erklärt habe, welche die Beklagte mit ihrem Antwortschreiben bestätigt habe. Die Klägerin habe daraufhin keine erkennbare ernsthafte Bemühung unternommen, um eine Rückgabe der Mietsache zu erwirken.

Während der Zeiten der staatlichen Schließungsanordnung sei es gerechtfertigt, die Höhe der Miete gemäß § 313 Abs. 1 BGB auf 50 % zu reduzieren. Dies gelte sowohl für die von der Klägerin geforderte Miete für April 2020 als auch für die von der Beklagten zu 1. bereits gezahlten Mieten für den Zeitraum Mitte Dezember 2020 bis einschließlich Mai 2021. Im Ergebnis sei die Klägerin um 279,02 EUR überzahlt, weswegen die Beklagte zu 1. einen entsprechenden Zahlungsanspruch gegen diese habe, der auf die Widerklage zuzusprechen sei, während die Klage insgesamt abzuweisen gewesen sei.

Gegen das ihr am 11.04.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.04.2022 Berufung eingelegt und diese am 08.06.2022 begründet.

Sie trägt vor, das Landgericht habe unzutreffend angenommen, dass das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. nach der wirksamen Zahlungsverzugskündigung vom 22.08.2019 fortgesetzt worden sei. Vielmehr habe es keine Fortsetzung nach § 545 BGB gegeben, weil diese Vorschrift im Mietvertrag abbedungen gewesen sei. Entgegen der Auffassung des Landgerichtes habe die Klägerin keine weitergehenden Aktivitäten entwickeln müssen, um eine Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verhindern. Gleichwohl habe die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 15.06.2020 bekräftigt, an der Kündigung vom 22.08.2019 festzuhalten und die Beklagte erneut zur Räumung aufgefordert. Soweit die Beklagte zu 1. weiterhin monatliche Zahlungen erbracht habe, seien diese als Nutzungsentschädigung geschuldet gewesen.

Eine Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB komme mangels fortbestehenden Mietvertrages deshalb von vornherein nicht in Betracht. Im Übrigen habe die Beklagte zu 1. die weiteren Voraussetzungen einer derartigen Vertragsanpassung nach der Rechtsprechung des BGH bereits nicht dargelegt.

Im Ergebnis sei deshalb der Klageforderung stattzugeben, die Widerklage hingegen abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
  • unter Abänderung des am 6. April 2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Leipzig, Az. 04 O 1978/21,
  • 1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 7.083,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2021 zu zahlen;
  • 2. die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
  • die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichtes. Das Mietverhältnis habe bis zum 30.06.2021 fortbestanden. Daran vermöge die Kündigung vom August 2019 unabhängig von ihrer Wirksamkeit nichts zu ändern.

Trotz mietvertraglichen Ausschlusses von § 545 BGB könne eine konkludente Vertragsfortsetzung/-neubegründung zu denselben Vertragsbedingungen bejaht werden, wenn die Gebrauchsfortsetzung durch den Mieter und widerspruchslose Entgegennahme der Miete über einen längeren Zeitraum durch den Vermieter erfolgt sei. So liege es hier, denn die Klägerin habe trotz eines nach ihrer Auffassung beendeten Mietverhältnisses die Beklagte zu 1. fast zwei weitere Jahre lang die Gewerberäume weiter nutzen lassen und die Mietzahlungen widerspruchslos entgegengenommen. Zudem habe die Klägerin in der Korrespondenz mit der Beklagten ab dem Monat Januar 2021 sprachlich zu erkennen gegeben, dass sie von einem Fortbestand des Mietverhältnisses ausgehe.

Zutreffend habe das Landgericht eine Reduzierung der Miete um 50 % für den Zeitraum der staatlichen Schließungsanordnungen vorgenommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg, weil die Klage begründet und die Widerklage der Beklagten zu 1. unbegründet ist.

Der Klägerin steht der von ihr geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 7.083,06 EUR aus § 546a Abs. 1 BGB zu, weil das ursprünglich zwischen der Beklagten und der Nürnberger Beteiligungs-Aktiengesellschaft mit dem Vertrag vom 25.10.2013 begründete Mietverhältnis, in welches die Klägerin durch den Eigentumserwerb am Grundstück am 27.06.2019 auf Vermieterseite eintrat, durch die wirksame außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 22.08.2019 mit sofortiger Wirkung beendet wurde (dazu 1.), das beendete Mietverhältnis von den Parteien (konkludent) weder fortgesetzt noch ein neues Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit auf der Grundlage des beendeten Mietverhältnisses begründet wurde (dazu 2.), die Beklagte zu 1. bis zur tatsächlichen Rückgabe des Mietobjektes einen Betrag in Höhe der vereinbarten Grundmiete für die Monate April und Mai 2020 und in Höhe der vereinbarten Gesamtmiete für den Juni 2021 im Umfang von insgesamt 7.107,45 EUR nicht bezahlte und für den gesamten Zeitraum, insbesondere im April 2020 und zwischen Mitte Dezember 2020 und Ende Mai 2021 die ungekürzte Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Miete von monatlich insgesamt 2.561,93 EUR von der Beklagten zu 1. zu bezahlen war (dazu 3.).

Der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsbetrag von 7.083,06 EUR liegt um 24,39 EUR unterhalb des Zahlungsrückstandes der Beklagten zu 1. im Umfang der vereinbarten Grundmiete für die Monate April und Mai 2020 sowie der vereinbarten Gesamtmiete für Juni 2021 in Höhe von 7.107,45 EUR. Die Klägerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 10.08.2022 klargestellt, dass sie in erster Linie die den Grundmieten für die Monate April und Mai 2020 entsprechenden Beträge, sodann den der Betriebskostenvorauszahlung für den Monat Juni 2021 und erst danach den der Grundmiete für den Monat Juni 2021 entsprechenden Betrag beanspruche, so dass mit dieser Entscheidung über die Grundmiete für den Monat Juni 2021 nur im Umfang von 2.248,37 EUR entschieden wird, nicht aber über deren Restbetrag von 24,39 EUR.

Die Beklagten zu 2., zu 3. und zu 4. haften als Gesellschafter der Beklagten zu 1. bzw. als Bürgen gesamtschuldnerisch für die Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu 1. (dazu 4.).

1.

Die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 22.08.2019 hat mit sofortiger Wirkung das Mietverhältnis der Parteien beendet, weil ein Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a BGB vorlag. Die Beklagte zu 1. war zum Kündigungszeitpunkt mit den Mieten für die Monate Juli und August 2019 im Verzug.

Die Nachzahlung der Miete durch die Beklagte zu 1. nach Zugang des Kündigungsschreibens im August 2019 hat die außerordentliche Kündigung nicht unwirksam werden lassen. Eine solche Regelung existiert nur für Wohnraummietverhältnisse in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Auf Mietverhältnisse über Geschäftsräume ist diese Regelung nicht entsprechend anwendbar. In § 578 Abs. 2 Satz 1, 2 BGB werden der Absatz 2 von § 569 BGB und unter bestimmten Umständen auch der Absatz 1 von § 569 BGB für entsprechend anwendbar erklärt, nicht aber der Absatz 3 von § 569 BGB.

2.

Das beendete Mietverhältnis wurde nicht gemäß § 545 BGB auf unbestimmte Zeit verlängert, weil die Parteien die Anwendung dieser Vorschrift in § 2 Nr. 4 des Mietvertrages vom 25.10.2013 ausgeschlossen haben.

Ein solcher Ausschluss ist nicht nur individualvertraglich, sondern auch formularvertraglich wirksam möglich (vgl. BGH, Urteil vom 15.05.1991, VIII ZR 38/90, NJW 1991, 1750, 1751 zu § 568 BGB a.F.; OLG Rostock, Urteil vom 29.05.2006, 3 U 167/05, NJW 2006, 3217; KG, Beschluss vom 20.01.2014, 8 U 168/13, BeckRS 2014, 7658; Senatsbeschluss vom 13.10.2016, 5 U 993/16, BeckRS 2016, 116020 Rn. 23).

Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung haben die Parteien auch nicht mit ihrem Verhalten im Nachgang der außerordentlichen Kündigung vom 22.08.2019 konkludent ein neues Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit auf der Grundlage des beendeten Mietverhältnisses begründet.

Es ist zwar unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 545 BGB möglich, dass die Parteien nach Beendigung eines Mietverhältnisses konkludent ein neues Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit auf der Grundlage des beendeten Mietverhältnisses begründen, wenn sich nämlich im Einzelfall feststellen lässt, dass dies dem zum Ausdruck gekommenen übereinstimmenden Willen der Parteien und deren Interesse entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 02.05.2012, XII ZR 88/10, NZM 2012, 608 Rn. 11; OLG Oldenburg, Urteil vom 28.09.2000, 8 U 140/00, BeckRS 2000, 30471422; OLG Bremen, Urteil vom 23.08.2006, 1 U 27/06, BeckRS 2007, 2613 Rn. 9 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.11.2009, 10 U 42/09, NJOZ 2010, 2645, 2647 f.; KG, Beschluss vom 31.10.2019, 8 U 93/19, BeckRS 2019, 39541 Rn. 64 ff.).

Eine derartige konkludente Einigung wird in der Rechtsprechung danach regelmäßig dann angenommen, wenn das Mietverhältnis nach dessen Beendigung für einen längeren Zeitraum weiterhin „gelebt“ wurde, also widerspruchslos zum einen dem Mieter die Räume überlassen wurden und zum anderen vom Vermieter die Miete entgegengenommen wurde sowie die Annahme eines (fortbestehenden) Vertragsverhältnisses der Interessenlage der Parteien entsprach. Die Zahlung des der Miete entsprechenden Entgeltes allein genügt dafür nicht, weil der bisherige Mieter nach dem Ende des Mietverhältnisses diesen Betrag als Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB schuldet, wenn er das Mietobjekt entgegen § 546 Abs. 1 BGB nicht zurückgibt (in diesem Sinne auch Blank/Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 545 BGB Rn. 34; AG Hamburg-Altona, Urteil vom 01.03.2005, 316 C 635/04, BeckRS 2005, 10684; AG Wetzlar, Urteil vom 25.06.2007, 38 C 1605/05, BeckRS 2008, 13540).

Nach diesen Grundsätzen haben im vorliegend zu beurteilenden Fall die Parteien das Mietverhältnis nach dessen Beendigung im August 2019 nicht konkludent neu begründet. Das Verhalten der Klägerin kann nicht als widerspruchslose Entgegennahme von Entgelt für die Überlassung von Gewerberäumen an die Beklagte verstanden werden.

Dies beginnt schon bei der für die Beendigung des Mietverhältnisses konstitutiven außerordentlichen Kündigung der Klägerin vom 22.08.2019. Die Klägerin kündigt darin nicht nur das Mietverhältnis fristlos wegen des bestehenden Zahlungsverzuges von Seiten der Beklagten zu1., sondern fordert die Beklagte zu 1. zudem ausdrücklich auf, die Gewerberäume zum 06.09.2019 an sie zurückzugeben. Darin liegt ein ausdrücklicher Widerspruch der Klägerin gegen die Fortsetzung des Mietverhältnisses.

Dieses wesentliche Indiz wird noch einmal dadurch bekräftigt, dass die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 15.06.2020 auf die Kündigung vom 22.08.2019 ausdrücklich zurückkommt und erneut eine Rückgabe der Gewerberäume fordert, für welche sie eine Nachfrist bis zum 30.06.2020 setzt. Zudem lautet der letzte Satz des als Anlage K 5 vorgelegten Schreibens der Klägerin vom 15.06.2020: „Wir erwarten Rückgabe des Mietgegenstandes.“ Die Klägerin konnte gegenüber der Beklagten zu 1. kaum deutlicher erklären, dass sie mit dem Weiternutzen der Gewerberäume durch die Beklagte nicht einverstanden ist. Es existiert auch keine Erklärung der Klägerin im Nachgang zu ihrem Schreiben vom 15.06.2020, in welchem sie ihren Widerspruch gegen die Weiternutzung des Mietobjektes durch die Beklagte zu 1. aufgibt. Angesichts der Eindeutigkeit der Erklärung der Klägerin im Schreiben vom 15.06.2020 müsste auf der Ebene der konkludenten Erklärungen ein ebenso klares Signal in die Gegenrichtung gesendet werden, bevor man vom Aufgeben des Widerspruchs gegen einen konkludenten Vertragsschluss von Seiten der Klägerin ausgehen könnte. Ein solches Signal hat die Klägerin aber bis zur Räumung des Mietobjektes durch die Beklagte zu 1. am 30.06.2021 nicht gesendet.

Es ergibt sich nicht aus der als Anlage B 2 vorgelegten Korrespondenz der Klägerin und der Beklagten zu 1. im Jahre 2021. Soweit die Beklagte zu 1. mit ihrer E-Mail vom 04.02.2021 um eine mietvertragliche Anpassung für den Zeitraum der verordneten Schließungen bat und für die weiteren Mietzahlungen einen Vorbehalt erklärt, griff die Klägerin dies nicht im Sinne einer vertraglichen Vereinbarung auf. Allein der Umstand, dass die Klägerin in ihrer Erwiderung nicht ausdrücklich darauf hinwies, dass kein Mietverhältnis bestehe, beinhaltet keine (positive) Erklärung in Richtung auf einen Vertragsschluss.

3.

Der Höhe nach schuldete die Beklagte zu 1. gemäß § 546a Abs. 1 BGB den Betrag der vertraglich vereinbarten Miete in Höhe einer monatlichen Gesamtmiete von 2.561,93 EUR. Die staatlichen Schließungsanordnungen im April 2020 und im Zeitraum von Mitte Dezember 2020 bis April 2021 führten nicht zu einer Reduzierung der von der Beklagten zu 1. geschuldeten Nutzungsentschädigung.

Eine Reduzierung der Nutzungsentschädigung unter dem Gesichtspunkt eines Mangels des Mietobjektes nach § 536 Abs. 1 BGB kommt von vornherein nicht in Betracht, weil die pandemiebedingte staatliche Schließungsanordnung nicht zu einem Mangel des Mietobjektes führt (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2022, XII ZR 8/21, NJW 2022, 1370 Rn. 26 ff.; Senatsurteil vom 24.02.2021, 5 U 1782/20, BeckRS 2021, 2461 Rn. 25 ff.; OLG München, Beschluss vom 17.02.2021, 32 U 6358/20, NJW 2021, 948 Rn. 4 f.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2021, 7 U 109/20, NZM 2021, 224 Rn. 13 ff.).

Unabhängig davon hätte ein Mangel des Mietobjektes dann keinen Einfluss auf die Höhe der Nutzungsentschädigung, wenn er erst nach Beendigung des Mietverhältnisses eintritt (vgl. dazu Krüger in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 546a BGB Rn. 20), wie dies im vorliegend zu beurteilenden Fall im Hinblick auf die staatlichen Schließungsanordnungen der Fall wäre, zu denen es frühestens ab dem Monat März 2020 und damit geraume Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses im August 2019 kam.

Ein Anspruch auf Anpassung des Mietvertrages aus § 313 Abs. 1 BGB käme zwar grundsätzlich in Betracht (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 41 ff.; Senatsurteil vom 24.02.2021, a.a.O., Rn. 32 ff.; OLG München, a.a.O., Rn. 10 ff.; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 18 ff.), setzte aber das (Fort-)Bestehen eines Mietvertrages voraus, weil nur ein solcher angepasst werden könnte. Unabhängig davon bestünde auch kein Bedürfnis für eine Anpassung der Nutzungsentschädigung, weil die Beklagte lediglich ihre Rückgabepflicht aus § 546 Abs. 1 BGB hätte erfüllen und das Mietobjekt an die Klägerin zurückgeben müssen.

Es kommt deshalb im vorliegend zu beurteilenden Fall nicht auf die Frage an, inwieweit eine Anpassung des Mietverhältnisses nach § 313 Abs. 1 BGB wegen der pandemiebedingten staatlichen Schließungsanordnungen gerechtfertigt gewesen wäre, wenn dieses nach der Beendigung durch die außerordentliche Kündigung im August 2019 durch die Parteien konkludent neu begründet worden wäre.

Anders als vom Landgericht im angefochtenen Urteil vom 06.04.2022 angenommen wäre aber wohl ausgehend von dessen Annahme einer Neubegründung des gekündigten Mietverhältnisses im Sommer / Herbst 2020 zu den vor der wirksamen Kündigung vom August 2019 vereinbarten Konditionen eine Anpassung der Miete gemäß § 313 Abs. 1 BGB von vornherein nicht in Betracht gekommen, weil die Parteien in diesem Falle das Mietverhältnis trotz Kenntnis der pandemiebedingten staatlichen Schließungsanordnungen für März und April 2020 bei fortbestehender Pandemie nicht nur neu begründet hätten, sondern auch keine Regelung dahin getroffen hätten, der Beklagten zu 1. als Mieterin nicht einseitig das mit der Gefahr einer staatlich angeordneten Betriebsschließung verbundene wirtschaftliche Risiko aufzuerlegen. Es hätte also sowohl am tatsächlichen als auch am hypothetischen Element einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB gefehlt (vgl. zu diesen Elementen BGH, a.a.O., Rn. 44 ff., 52; Senatsurteil vom 24.02.2021, a.a.O., Rn. 33-35; OLG München, a.a.O., Rn. 11 ff., 31).

4.

Die Haftung der Beklagten zu 2. und zu 3. für die Zahlungsverpflichtungen der Beklagten zu 1. folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 128 HGB, weil die Beklagten zu 2. und zu 3. Gesellschafter der Beklagten zu 1., einer GbR, sind (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2011, II ZR 243/09, NJW 2011, 2045 Rn. 14).

Die Haftung der Beklagten zu 4. ergibt sich aus der von dieser am 22.01.2019 gestellten selbstschuldnerischen Mietkautionsbürgschaft gemäß § 765 Abs. 1 BGB.

Sachlich umfasst die Bürgschaftsverpflichtung Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis oder aus Anlass seiner Beendigung. Dazu gehören auch die im Umfang der bisherigen Mietzahlungsverpflichtung fortbestehenden Ansprüche auf Nutzungsentschädigung wegen Vorenthaltung der Mietsache aus § 546a Abs. 1 BGB (ebenso OLG Hamburg, Urteil vom 21.04.1999, 4 U 113/98, BeckRS 1999, 30859882 zu § 557 Abs. 1 BGB a.F.; KG, Urteil vom 20.02.2012, 8 U 20/11, BeckRS 2012, 6992 für das bürgschaftsähnliche Sicherungsmittel der Patronatserklärung; Geldmacher in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., Anhang zu §§ 562-562d BGB Rn. 137).

Der Höhe nach ist die Bürgschaft der Beklagten zu 4. auf 7.350,00 EUR begrenzt, was aber die Klageforderung von 7.083,06 EUR übersteigt.

III.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

Zusammenfassung:
Die Zahlung einer Nutzungsentschädigung allein führt nicht zum konkludenten Neuabschluss eines gekündigten Mietvertrages.
Rechtsgebiete:
Mietrecht
Stichworte:
Gericht:
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