Finkenzeller

Eigenbedarf wegen Hilfeleistung

Mietrecht
26.04.2022
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AG München, Urteil vom 09.06.2021, Az. 453 C 3432/21

Leitsätze

1. Der Wunsch betagten Angehörigen (hier: Großonkel und -tante) Hilfestellung zu leisten und hierzu eine Wohnung im gleichen Anwesen zu beziehen, kann ein berechtigtes Interesse darstellen, selbst wenn die derzeitige Wohnung ebenfalls in räumlicher Nähe liegt.*

2. Zu den Anforderungen an einen Härtefall und die Obliegenheiten des Mieters bei der Beschaffung von Ersatzwohnraum.*

Innenanlage WEG

Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die ca. 77 qm große Wohnung im 1. OG links des Anwesens ... München bestehend aus 3 Zimmern, 1 Abstellkammer, 1 Küche, 1 Flur/Diele, 1 WC, 1 WC mit Bad, 2 Balkonen sowie den Gara genstellplatz Nr. zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31.12.2021 gewährt.

Gründe

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung und einer Garage nach vorangegangener Eigenbedarfskündigung.

Die Beklagten schlossen mit den Rechtsvorgängern der Klägerin einen Mietvertrag vom 06.11.2012 beginnend zum 01.03.2013 über eine Wohnung im 1. Obergeschoss links in der ... München mit einer Wohnfläche von ca. 77 qm bestehend aus 3 Zimmern, 1 Abstellkammer, 1 Küche, 1 Flur/Diele, 1 WC, 1 WC mit Bad, 2 Balkonen sowie einem Garagenstellplatz Nr. ...

Seit dem 01.01.2021 beträgt die Miete auf 759,00 Euro zuzüglich 60,00 Euro Heizkostenpauschale.

Die Rechtsvorgänger sind Großonkel, 88 Jahre, und Großtante, 82 Jahre, der Klägerin. Sie überließen der Klägerin die Wohnung zum 07.07.2020 gegen die Zahlung einer monatlichen Geldrente in Höhe von 800,- €. Die Klägerin verpflichtete sich zudem, auf Wunsch der Übergeber, sie bei Einkäufen, Besorgungen, sowie bei Arztbesuchen zu unterstützen.

Am 18.09.2020 wurde die Klägerin als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 15.10.2020 kündigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin das Mietverhältnis mit den Beklagten wegen Eigenbedarfs ordentlich zum 30.02.2021. Mit Schreiben vom 23.10.2020 korrigierte die Klägerin das Kündigungsdatum auf den 30.04.2021. Hinsichtlich des Inhalts wird auf die Anlage K3 verwiesen.

Wegen der Einzelheiten und des Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf das Schreiben vom 15.10.2020 (Anlage K2) Bezug genommen.

Im Zeitpunkt der Kündigung sowie auch aktuell bewohnt die Klägerin eine ca. 50 qm große 2-Zimmer-Wohnung 2,7 km von ihrer Großtante und ihrem Großonkel entfernt.

In der Kündigung wurde einer stillschweigenden Verlängerung des Mietverhältnisses widersprochen und auf das Widerspruchsrecht der Mieter hingewiesen.

Mit Schreiben vom 31.12.2020 erhob der außergerichtliche Bevollmächtigte der Beklagten, der die Beklagten im gerichtlichen Verfahren nicht mehr vertrat, Widerspruch gegen die Kündigung.

Die Klägerin trägt vor, dass ihr Großonkel und ihre Großtante aufgrund des vorangeschrittenen Alters auf ihre Unterstützung angewiesen seien. Die Hilfe der Klägerin bei Angelegenheiten des täglichen Bedarfs sei zudem Voraussetzung und Grund für die Übertragung des Eigentums an der Wohnung gewesen.

Des Weiteren trägt sie vor, dass sie im Home Office tätig sei. Dafür benötige sie ein weiteres Zimmer. Die berufliche Tätigkeit von zu Hause führe weiterhin dazu, dass die Klägerin in Notsituationen schnell zur Hilfe eilen könne. Die Home-Office-Tätigkeit sei in ihrer Firma unabhängig von der aktuellen Pandemie auch üblich.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass auch der Wunsch, in den eigenen vier Wänden wohnen zu wollen ein nachvollziehbarer Grund für die Eigenbedarfskündigung sei.

Eine Alternativwohnung stehe ihr nicht zur Verfügung, für eine andere - im Eigentum des Großonkels und der Großtante stehende - Wohnung im Wohnhaus des Großonkels und der Großtante gesehen habe der Großonkel der Klägerin dem Mieter dieser Wohnung die Zusage eines langfristigen Mietverhältnisses gegeben, sodass er sich an diese Zusage gebunden fühle.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

Die Beklagten werden verurteilt, die ca. 77 qm große Wohnung im 1. OG links des Anwesens ... München bestehend aus 3 Zimmern, 1 Abstellkammer, 1 Küche, 1 Flur/Diele, 1 WC, 1 WC mit Bad, 2 Balkonen sowie den Garagenstellplatz Nr. ... zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die BEklagten beantragten zuletzt:

1. Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

2. Das Mietverhältnis wird unbefristet fortgesetzt.

Hilfsweise: Das Mietverhältnis wird für eine Zeit fortgesetzt, die das Gericht für angemessen hält.

3. Höchstvorsorglich wir die Gewährung einer Räumungsfrist beantragt.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Kündigung des Mietverhältnisses nicht wirksam sei. Die Kündigungsfrist sei nicht gewahrt worden und in der Korrektur der Kündigungsfrist mit Schreiben vom 23.10.2020 durch den Klägervertreter könne keine erneute Kündigung zu sehen sein.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass kein Eigenbedarf vorliege. Die Klägerin wohne bereits in der Nähe der streitgegenständlichen Wohnung, so dass sie zum Zwecke der Unterstützung nicht um ziehen müsse. Zudem seien Großonkel und Großtante der Klägerin nicht auf Unterstützung im Alltag angewiesen. Auch sei die Entfernung der aktuellen Wohnung der Klägerin zur Wohnung des Großonkels und der Großtante eine hinnehmbare Entfernung. Auch begründe der Wunsch als Eigentümerin in ihren eigenen vier Wänden wohnen zu wollen, als auch der Platzmangel in der bisherigen Wohnung keine Dringlichkeit des Eigenbedarfs.

Weiter sei es den Beklagten nicht möglich zu zumutbaren Bedingungen eine neue Wohnung zu finden. Dies liege an der schlechten finanziellen Situation der Beklagten. Der Beklagte zu 1) sei arbeitslos, da er krankheitsbedingt seinen Job verloren habe.

Sie tragen weiter vor, die Beklagte zu 2) sei durch die Umstände der Kündigung und die Anstrengung hinsichtlich der Wohnungssuche gesundheitlich sehr angeschlagen. Ein Umzug führe vermutlich zu einer erheblichen Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes.

Das Gericht hat die Parteien in der Sitzung vom 12.05.2021 angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf sämtliche Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, den übrigen Akteninhalt sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 12.05.2021 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif, weitere entscheidungserhebliche Vortrag im Schriftsatz des Klägervertreters vom 6. 20.05.2021 erfolgte nicht, sodass den Beklagten eine weitere Stellungnahmefrist hierauf nicht gewährt werden musste. Hinsichtlich neuen Sachvortrags der Beklagten war eine Stellungnahmefrist nicht beantragt und auch nicht gewährt worden. Der mit Schriftsatz vom 03.06.2021 erfolgte Sachvortrag ist somit verspätet, würde aber selbst bei Berücksichtigung zu keinem anderen Ergebnis führen.

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht München ist insbesondere sachlich gem. §§ 1 ZPO i.V.m. §§ 23 Nr. 2a GVG und örtlich gem. § 29a Abs. 1 ZPO zuständig.

II.

Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Räumungs- und Herausgabeanspruch gem. §§ 546 Abs. 1, 985 BGB zu, da das Mietverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Klägerin durch ihren Klagevertreter mit Schreiben vom 15.10.2020 zum 30.04.2021 wirksam beendet wurde gem. §§ 573 Abs. 1 S. 1, 573c Abs. 1 S. 2 BGB. Härtegründe, die eine Verlängerung des Mietverhältnisses bedingen würden, liegen nicht vor.

Die ordentliche Kündigung ist formell und materiell wirksam.

1. Die ordentliche Kündigung war formell wirksam.

Sie erging insbesondere schriftlich und somit formgerecht. Auch wurden im Kündigungsschreiben die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters angegeben, § 573 Abs. 3 S. 1 BGB. Die Angabe des Grundes soll dem Mieter die Möglichkeit geben, zu erkennen, auf welchen Sach verhalt die Kündigung gestützt wird und wie er sich zur Wehr setzen kann (vgl. BGH NJW 06, 1585). Diesem Zweck wird im allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann (BGH NJW 10, 3775; 17, 1474). Dem wird die vorliegende Kündigung ohne Zweifel gerecht.

b) Die Kündigungsfrist wurde gewahrt gem. § 573 c BGB. Da es sich um ein Mietverhältnis handelte, das länger als 5 Jahre lief, verlängerte sich die Frist um 3 Monate auf 6 Monate. Das Fristende war für die mit Schreiben vom 15.10.2020 ausgesprochene Kündigung somit der 30.04.2021.

Entgegen der Ansicht der Beklagten wurde die Kündigung nicht unwirksam durch die Angabe einer fehlerhaften Frist. Zwar ist eine Kündigung, die eine fehlerhafte Frist angibt, grundsätzlich unwirksam. Sie kann jedoch in eine wirksame Kündigung gem. § 140 BGB umgedeutet werden, wenn es nur um eine verhältnismäßig geringfügige Verschiebung des Endzeitpunktes geht und auch sonst keine ins Gewicht fallenden Anhaltspunkte vorhanden sind, die auf eine abweichende Willensrichtung hinweisen. In diesem Fall entspricht es dem erkennbaren hypothetischen Willen des ordentlich Kündigenden, die Kündigung hilfsweise zum nächstzulässigen Zeitpunkt wirksam werden zu lassen (BGH NJW-RR 90, 337).

Dies ist vorliegend der Fall, insbesondere ergibt sich aus der Kündigungserklärung nicht, dass die Kündigung nur und ausschließlich zum 30.02.2021 wirksam werden soll. Vielmehr handelt es sich bereits aufgrund des nicht existenten Datums offensichtlich um eine fehlerhafte Bezeichnung des Kündigungsdatums.

2. Die Kündigung ist auch materiell wirksam. Der formell wirksamen Kündigung liegt der Kündigungsgrund gem. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB zugrunde.

a) Der Vermieter hat gem. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, wenn er die Räume als Wohnung für sich oder seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushaltes benötigt. Das Tatbestandsmerkmal des Benötigens erfordert nicht, dass der Vermieter oder einer der in § 573 II Nr. 2 BGB genannten Angehörigen auf die Nutzung der Wohnung angewiesen ist (stRspr; vgl. etwa BGH, BGHZ 103, 91 = NJW 1988, 904; BVerfGE 68, 361 [374] = NJW 1985, 2633; BVerfG, NJW 1994, 309 [310]; NJW 1994, 994). Der Entschluss des Vermieters die Wohnung selbst zu nutzen, ist grundsätzlich zu achten. Der Nutzungswunsch muss aber hinreichend bestimmt und konkret sein und ernsthaft verfolgt werden, er muss von vernünftigen oder nachvollziehbaren Gründen getragen werden und darf nicht rechtsmissbräuchlich sein (stRspr; vgl. etwa BGH, BGHZ 103, 91 = NJW 1988, 904; NJW 2015, 2727 Rn. 9 mwN; NJW-RR 2019, 130 Rn. 24 mwN).

Es kommt insoweit nicht auf eine (aktuelle) Dringlichkeit des Nutzungswunsches an sondern nur darauf, ob der vorgetragene Nutzungswunsch tatsächlich besteht.

Die Klägerin wurde zu ihrem vorgetragenen Nutzungswunsch als Partei angehört. Das Gericht ist nach der Anhörung der Klägerin von dem tatsächlichen Bestehen des Nutzungswunsches der Klägerin vollumfänglich überzeugt.

Die Klägerin trug zunächst vor, dass ihr die Wohnung ihres Großonkels und ihrer Großtante nur unter der Bedingung überlassen wurde, dass sie ihnen bei Tätigkeiten im Haushalt, bei Besorgungen und Arztbesuchen helfen werde. Wichtig sei insbesondere die unmittelbare Nähe, um gerade in Notfällen einen möglichst kurzen Weg zu haben. Denn sollten ihr Großonkel und ihre Großtante Hilfe benötigen, so kann auch nur eine kleine Entfernung bereits ausreichen, dass ihre Hilfe zu spät käme.

Weiter ist der Eigennutzungswunsch des Eigentümers zu berücksichtigen. (BVerfG NJW 95, 1480). Dieser kann - entgegen der Ansicht der Beklagten - ein Grund für eine Eigenbedarfskündigung sein. Auch dazu äußerte die Klägerin, dass sie den Wunsch habe als Eigentümerin ihre Wohnung nutzen zu wollen. Zudem trug sie glaubhaft vor, dass sie derzeit aufgrund der räumlichen Situation ihre Wohnung von ihrem Lebensgefährten, mit dem sie früher bereits zusammen gewohnt habe, räumlich getrennt lebe und nunmehr sobald als möglich mit ihrem langjährigen Freund die ausreichend große streitgegenständliche Wohnung beziehen wolle, da diese auch eine Familiengründung erlaube.

Weitere gab die Klägerin wiederum vollumfänglich glaubhaft und detailliert an, dass sie in der Rechtsabteilung eines Lohnsteuerhilfevereins tätig sei und die dortige Arbeit komplett digitalisiert und nahezu ausschließlich von zu Hause aus erledigt werde. Die Möglichkeit eines eigenen Arbeitszimmers, die ihre derzeitige Wohnung nicht biete, sei ihr daher ebenfalls sehr wichtig.

Angesichts des aus Sicht des Gerichts detaillierten und vollumfänglich nachvollziehbaren und glaubhaften Vortrags der Klägerin bestehen aus Sicht des Gerichts keine Zweifel an dem vorgetragenen Eigennutzungswunsch der Klägerin.

Auf den konkreten aktuellen Gesundheitszustand des Großonkels und der Großtante der Klägerin kommt es hierbei gar nicht an. Bereits angesichts des Alters von 82 und 88 Jahren ist eine zeitnahe Hilfsbedürftigkeit derart naheliegend, dass selbst eine aktuell blendender Gesundheitszustand in keiner Weise gegen den Nutzungswunsch der Klägerin sprechen würde.

Der Wunsch der Klägerin, die von den Beklagten bewohnten Räume für sich und und ihren Lebensgefährten zu nutzen, erfüllt die Anforderungen des Kündigungstatbestands des § 573 Abs.2 Nr. 2 BGB. Der Wunsch eine Eigentumswohnung selbst zu Wohnzwecken zu nutzen, ist von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht auch gerade keine Sozialauswahl im Rahmen der Eigenbedarfskündigung. In diesem Fall muss hierauf bereits deswegen nicht näher eingegangen werden, da die Klägerin nicht die Möglichkeit hatte aus mehreren Wohnungen zu wählen. Die getroffene Aussage der Beklagten nimmt einen weiteren Mieter in Bezug, der in einer Mietwohnung des Großonkels und der Großtante lebt.

Die erklärte Eigenbedarfskündigung ist somit wirksam und hat das Mietverhältnis zum 30.04.2021 beendet.

3. Das Mietverhältnis verlängerte sich auch nicht gem. § 545 BGB über den 30.04.2021 hinaus auf unbestimmte Zeit, da der Kläger einer solchen Verlängerung bereits im Rahmen der Kündigung widersprach. Eine solche Widerspruchserklärung ist bereits vor Fristbeginn im Rahmen der Kündigungserklärung möglich (vgl. BGH NJW 2010, 2124).

4. Die Beklagten können auch nicht vom Kläger gem. §§ 574, 574 a Abs. 1 BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, da es bereits an einem substantiiert vorgetragenen Härtegrund fehlt. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 574 BGB liegen vor - es handelte sich um einen unbefristeten Wohnraummietvertrag und die ordentliche Kündigung durch den Vermieter war wirksam.

Zwar erfolgte der Widerspruch in schriftlicher Form gem. § 574 b Abs. 1 S. 1 BGB und wahrte die Frist des § 574 b Abs. 2 S. 1 BGB, es ist aber kein Fall des § 574 Abs. 1 BGB substantiiert dargetan und unter Beweis gestellt. Auch ein Fall des § 574 Abs. 2 BGB liegt nicht vor.

a. Ein Härtegrund gem. § 574 Abs. 1 S.1 BGB ist nicht gegeben.

Nach § 574 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Mieter einer an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Beim Vorliegen einer Härte nach § 574 Abs. 1 S. 1 BGB ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH nur solche für die Beklagten mit einem Umzug verbundenen Nachteile als Härtegründe in Betracht kommen, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischer weise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben (vgl. BGH, NJW 2017, 1474 Rn. 25; NJW-RR 2014, 78 Rn. 17; NJW 2013, 1596 Rn. 15)

Eine Härte sind danach alle Nachteile wirtschaftlicher, finanzieller, gesundheitlicher, familiärer oder persönlicher Art zu verstehen, die infolge der Vertragsbeendigung im konkreten Einzelfall auftreten könnten. Unter Gesamtwürdigung der Umstände liegt hier kein Härtefall vor.

Die Beklagten sind zwar bereits in einem fortgeschrittenen Alter, die Beklagte zu 2) ist 71 Jahre alt.

Der Umstand, dass sich die Beklagten in einem hohen Lebensalter befinden, reicht für sich genommen aber nicht für die Annahme einer Härte aus (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2019, Az. VIII 180/18). Eine im besonderen Maße starke Verwurzelung mit dem Wohnhaus oder dem Wohnviertel wird nicht vorgetragen.

Auch die vorgetragene Erkrankung der Beklagten, belegt durch die mit dem Schriftsatz vom 12.04.2021 vorgelegten ärztliche Attest lassen nicht den Schluss zu, dass den Beklagten aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes nicht mehr zugemutet werden könnte, gegebenenfalls unter Mithilfe Dritter neuen Wohnraum aufzufinden und zu beziehen. Zumindest werden keine konkreten Umstände aufgezeigt, aufgrund derer die Beendigung des Mietverhältnisses und ein Umzug der Beklagten zu 2) unzumutbar wäre. Auch ist nicht nachvollziehbar vorgetragen, dass im Falle eines Umzugs eine Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Beklagten zu 2) zu besorgen wäre. Vielmehr erklärte die Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich, dass sie nicht einer konkreten Wohnung hängen und jederzeit ausziehen würde, sobald sie eine neue Wohnung finde. Soweit in dem mit Schriftsatz vom 03.06.2021 vorgelegten ärztlichen Attest zur Vorlage beim Amt für Wohnen und Migration vorgetragen wird, aufgrund erhöhten Blut drucks der Beklagten zu 2) bestehe die Gefahr von Herzinfarkt und Schlaganfall, insbesondere durch den durch die Wohnungskündigung ausgelösten Stress und die existenzielle Bedrohung bis zum Auffinden einer Ersatzwohnung, ergäbe sich hieraus, dass eine gesundheitliche Gefährdung der Beklagten nicht durch einen Umzug in eine andere Wohnung, sondern durch die Belastungen des vorliegenden Räumungsverfahrens sowie die Ungewissheit der Wohnungssuche bestehe. Dies erreicht für die Annahme einer Härte, die gerade in der Beendigung des Mietverhält nisses liegen muss, aus Sicht des Gerichts aber nicht aus.

Soweit die sich die Beklagten in einer angespannten finanziellen Situation befinden, vermag auch dies die Unzumutbarkeit eines Umzuges nicht zu rechtfertigen, zumal die Klägerin sowohl vorge richtlich als auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Beklagten den Abschluss eines Räumungsvergleichs mit einer jedenfalls die Kosten eines Umzugs deckenden Umzugsbeihilfe anbot.

b. Auch der Härtegrund nach § 574 Abs.2 BGB ist vorliegend nicht gegeben. Die Beklagten haben nicht hinreichend konkret dargelegt, dass es Ihnen unmöglich sei trotz umfassender Bemühun gen angemessenen Wohnraum zu zumutbaren Bedingungen zu beschaffen.

Hierzu genügt wieder der Verweis auf den angespannten Münchner Wohnungsmarkt noch die Darlegung, dass eine zumutbare Ersatzwohnung bislang nicht angemietet werden konnte.

Zumutbar ist Ersatzwohnraum, wenn er den bisherigen Lebensverhältnissen des Mieters im Wesentlichen entspricht. Dabei ist eine gewisse Verschlechterung - insbesondere durch Anmietung einer kleineren Wohnung - grundsätzlich hinzunehmen. (BGH NJW 2019, 2765; NZM 2019, 518 Rn. 50 mwN). Vor allem in angespannten Wohnungsmärkten kann dem Mieter ein merklicher Einschnitt in die Wohnqualität zugemutet werden.

Soweit sich die Beklagten darauf berufen, dass angemessener Ersatzwohnraum nicht zu finden ist, ist das Maß ihrer Bemühungen darzulegen und vorzutragen.

Insbesondere trifft den Mieter nach ganz herrschender Auffassung eine Obliegenheit zur Ersatz wohnraumsuche ab wirksamer Kündigung des Mietverhältnisses.

Dazu wurde nicht ausreichend vorgetragen.

Das Maß der Bemühungen des Mieters hängt davon ab, was dem Mieter nach seinen persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zugemutet werden kann. Grundsätzlich ist er verpflichtet, das örtliche Angebot von Immobilienportalen im Internet regelmäßig auszuwerten und in Frage kommende Vermieter zu kontaktieren. Zudem ist es grundsätzlich auch für Privatpersonen zumutbar, einen Makler zu involvieren. Soweit die Beklagte zu 2) im Rahmen ihrer persönli chen Anhörung vorgetragen hat, dass 3 Makler die Übernahme eines Auftrags abgelehnt haben,weil sie lediglich Eigentumswohnungen vermitteln würden, ist gerichtsbekannt, dass im Großraum München auch Makler für Mietinteressenten tätig sind und werden.

Zudem reicht es regelmäßig nicht aus, wenn der Mieter nur gelegentliche Versuche unternimmt, anderen Wohnraum zu finden (BGH NJW 2019, 2765; NZM 2019, 518 Rn. 53). Des Weiteren kann es hilfreich sein, selbst eine Annonce aufzugeben.

Die Beklagten haben im Rahmen der persönlichen Anhörung vorgetragen, sie hätten mit der Wohnungssuche bereits vor ca. einem Jahr begonnen als der Großonkel der Klägerin erstmals erwähnte, dass die Wohnung verkauft werden solle. Nach Erhalt der Kündigung sei die Suche so dann intensiviert worden und auch der Antrag auf Zuteilung einer Sozialwohnung bzw. eine Wohnung nach dem München Modell beim Amt für Wohnen und Migration gestellt worden. Die Beklagte zu 2) schätze, dass sie bestimmt mehr als 100 Bewerbungen abgeschickt habe und lediglich zu 5-6 Vorstellungsgesprächen eingeladen worden sei.

Der Vortrag der Beklagten ist unsubstantiiert.

Die durch die Beklagten vorgelegten Absagen betrafen allesamt Anfragen aus dem Jahr 2021.

Diese vorgetragenen Versuche eine Wohnung zu finden, sind insbesondere im Hinblick auf die Wohnraumsituation in München nicht ausreichend und vermögen nicht zu belegen, dass es den Beklagten nicht möglich ist, angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen an zumieten.

Die Obliegenheit des Mieters, sich mithilfe von Verwandten und Bekannten oder öffentlichen und privaten Stellen sowie unter Inanspruchnahme geeigneter Medien (bspw. Zeitungsannoncen, Internet) ernsthaft und nachhaltig um eine angemessene Ersatzwohnung zu bemühen, richtet sich danach, was dem Mieter unter seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zuzumuten ist (BGH NJW 2019, 2765 = NZM 2019, 518 Rn. 53 mwN).

Die vorgetragenen Bemühungen sich über Onlineportale, in denen gerichtsbekannt ein hohes Aufkommen an Mietinteressenten generiert wird, um die Anmietung einer Wohnung zu bemühen reicht jedenfalls zur Erfüllung der Obliegenheit der Beklagten, eine Ersatzwohnung zu zumutbaren Bedingungen zu finden nicht aus, zumal sich der substantiierte Vortrag allesamt auf Anfragen aus dem Jahr 2021 somit mehr als zweieinhalb Monate nach Erhalt der Kündigung bezieht.

Danach steht fest, dass kein Härtegrund gem. § 574 Abs.2 BGB vorliegt. Auch die Gesamtwürdigung der vorgetragenen Aspekte, also insbesondere Alter, schlechter gesundheitliche Zustand, knappe finanzielle Verhältnisse und Schwierigkeiten bei der Ersatzwohnraumsuche Erreichen aus Sicht des Gerichts nicht die Schwere, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben.

Ein Härtegrund gemäß § 574 BGB liegt somit nicht vor und das Mietverhältnis war weder befristet noch unbefristet fortzusetzen.

III.

Den Beklagten war nach Überzeugung des Gerichts aber vorliegend eine Räumungsfrist bis zum 31.12.2021 zu gewähren, § 721 Abs. 1 ZPO.

Angesichts der glaubhaft geschilderten gesundheitlichen Einschränkungen und des ebenfalls fort geschrittenen Alters der Beklagten bei gleichzeitig beengten finanziellen Verhältnissen sind diese auf dem Mietmarkt im Großraum München zweifellos unterprivilegiert.

Unter diesen Umständen schien dem Gericht die Gewährung einer Räumungsfrist veranlasst, um dem Beklagten trotz der derzeit schwierigen Rahmenbedingungen die realistische Möglichkeit einzuräumen, bei intensiver Bemühung eine Ersatzwohnung zu finden bzw. eine öffentlich geförderte Wohnung zu erhalten, was in diesem Zeitraum aus Sicht des Gerichts möglich sein sollte.

Die Gewährung einer Räumungsfrist bis zum 31.12.2021 ist auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Klägerin und deren berechtigten und nachvollziehbar auch dringlichen Eigenbedarfswunsches zu vertreten, da der Klägerin ein Verbleiben in ihrer derzeitigen Wohnsituation bis zum 31.12.2021 unter Abwägung mit den Interessen der Beklagten zumutbar erscheint.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.

Der Streitwert ist vorliegend mit 9.108 € festzusetzen und errechnet sich aus der verfahrensgegenständlichen Nettojahresmiete.

Zusammenfassung:
Ein berechtigtes Interesse an der Beendigung eines Mietverhältnisses kann auch darin liegen, dass betagte Angehörige im gleichen Anwesen absehbar Hilfestellung benötigen werden.
Rechtsgebiete:
Mietrecht
Stichworte:
Gericht:
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